Sie verspricht den grossen Erfolg, Freiheit und Glück. Die Organisation Forever Living schreibt vor allem über Facebook potenzielle neue Mitglieder an und bringt so manchen dazu, ihre Produkte zu vertreiben und sich einem schneeballartigen System anzuschliessen. «Espresso» war verdeckt dabei und hat darüber berichtet.
Auch die Fachstelle für Sektenfragen Infosekta kennt Forever Living bestens. Sie hat des Öfteren mit Betroffenen oder deren Angehörigen zu tun. «Espresso» hat mit der Geschäftsleiterin Susanne Schaaf gesprochen.
Warum ist Forever Living bei Ihnen ein Thema?
Susanne Schaaf: Solche Multi-Level-Marketingsysteme sind eigentlich nicht unser Kerngeschäft. Doch die Menschen machen bei solchen Systemen Erfahrungen, die an sektenhafte Systeme erinnern. In den Strukturen, den Vereinnahmungsprozessen, den Werbestrategien sind durchaus Parallelen zu Sekten erkennbar.
Wer meldet sich bei Ihnen?
Schaaf: Wir haben es vor allem mit Angehörigen zu tun, die eine Verhaltensveränderung feststellen. Die Leute engagieren sich stark, verbringen sehr viel Zeit mit den neuen Kollegen und sind auf das Thema fixiert, bis hin zum Euphorischen, Fanatischen. Die Ratsuchenden machen sich natürlich Sorgen und möchten mehr über die Organisation wissen.
Wann sollte ich hellhörig werden?
Schaaf: Heikel wird es immer dann, wenn schnelles Geld versprochen wird und von universalen Veränderungen auf allen Ebenen die Rede ist. Wenn also zum Beispiel Erfolg im Beruf, in der Beziehung, Gesundheit, ja vielleicht sogar Heilung versprochen wird. Auch wenn zugesichert wird, dass alles sehr schnell gehe, ist Vorsicht geboten. Die Alarmlampen sollten sicher auch aufleuchten, wenn die Aufforderung neue Mitglieder anzuwerben einen grossen Anteil einnimmt.
Sie haben sich mit Forever Living befasst. Ihr Eindruck?
Schaaf: Diese Gruppe weiss, wo der Hebel angesetzt werden muss. Es werden grosse Versprechen, schnelles Geld und ein besseres Wohlbefinden versprochen. Das ganze wird kombiniert mit Spass und neuen Freundschaften. Die Frage ist nun, ob die Realität auch so aussieht. Die Interessenten denken, sie können schnell viel Geld verdienen. Dabei müssen sie aber Produkte kaufen und neue Mitglieder anwerben. Ich bin nicht sicher, ob sich das unter dem Strich finanziell wirklich lohnt.
Forever Living prognostiziert genau solche Einwände.
Schaaf: Ja. Es wird vermittelt, dass man einer Elite beitritt, und es wird vorausgesagt, wie das Umfeld reagieren wird. Und wenn es genauso reagiert, dann ist das natürliche quasi eine Bestätigung, dass die Gemeinschaft richtig liegt.
Wer ist typischerweise für solche Organisationen empfänglich?
Schaaf: Oft sprechen Personen darauf an, die sich in einem persönlichen Umbruch befinden. Man ist unzufrieden, ist auf Partnersuche, möchte eine neue berufliche Ausrichtung. Man ist in einer Situation, in der man den Kick sucht, der den Stein ins Rollen bringt.
Was können Angehörige tun?
Schaaf: Oft ist es schwierig, Einfluss zu nehmen, wenn der Betroffene Feuer und Flamme für die Idee ist. Wir raten Angehörigen, trotzdem Möglichkeiten für ein Gespräch zu suchen und vielleicht auch einmal an einen Anlass mitzugehen. Man sollte auf einfühlsame Art am Ball bleiben und die Person so gut es geht unterstützen. Denn wir machen auch die Beobachtung, dass die Betroffenen nach einer gewissen Zeit negative Erfahrungen machen und kritische Gedanken aufkommen. Dann sollte man einhaken.
Was raten Sie einer Person, die aus einem solchen System aussteigen will?
Schaaf: Wenn jemand über einen möglichen Austritt nachdenkt, ist bereits ein grosser Schritt getan. Wir können ihn dann bei den nächsten Schritten begleiten, zum Beispiel eine juristische Stütze bieten und möglichen Ängsten auf den Grund gehen.