Die scheinbare neue Einigkeit täuscht: In zentralen Punkten liegen die Meinungen von VSI und SKS immer noch weit auseinander. Ein Beispiel dafür ist der sogenannte «Verzugsschaden», den Inkassobüros den Schuldnern jeweils zum eigentlich geschuldeten Betrag noch verrechnen wollen.
In den neuen Richtlinien steht dazu, dieser dürfe nur für den Aufwand in Rechnung gestellt werden, «der entstanden ist, nachdem die Schuldnerin oder der Schuldner vorher mindestens zwei Mal durch den Gläubiger oder das Inkassounternehmen schriftlich gemahnt worden ist.»
SKS akzeptiert Verzugsschaden nicht
Dies klingt danach, als ob die SKS neu einen Verzugsschaden akzeptieren würde. Janine Jacob von der SKS dementiert: «Die Stiftung für Konsumentenschutz ist nach wie vor der Überzeugung, dass der Verzugsschaden nicht geschuldet wird. Dies kommunizieren wir den Konsumenten auch ganz klar so.»
Dass dieser Streitpunkt nicht wirklich geklärt ist, bestätigt auch David Rüetschi, Chef Zivilrecht beim Bundesamt für Justiz.
Inkassobüros berechnen grossen Aufwand
Robert Simmen, Geschäftsführer des VSI, meint dagegen: «Aufgrund der Gespräche mit dem SKS sind wir der Meinung, dass wir mindestens im Grundsatz Verständnis dafür gefunden haben, dass Schuldner nach zweimaliger Mahnung nicht weiter vor der Überwälzung dieser Kosten geschützt werden sollen.»
Mehr Widerspruch als Einigkeit also. Und genau dies bemängelt Mario Roncoroni von der Berner Schuldenberatung an den Richtlinien: «Man sieht diesem Dokument nicht an, dass immer noch ein Konflikt besteht.»
Richtlinien noch nicht abgesegnet
Dies transparent zu machen, wäre für ihn das absolute Minimum. Denn, auch bei den umstrittenen Methoden, mit denen Inkassobüros Schulden eintreiben, betrachtet die SKS die Richtlinien mehr als Minimallösung, denn als Einigung. Zudem sei das Dokument noch nicht unterzeichnet, auch wenn es vom Bundesamt für Justiz bereits veröffentlicht wurde.
Schuldenberater Roncoroni und «Espresso»-Rechtsberaterin Gabriela Baumgartner kritisieren, dass die Richtlinien schwammig formuliert seien. Dies lasse den Inkassobüros Schlupflöcher, um ihre Methoden weiterhin anzuwenden.
«Unzufriedene Schulder sollen sich beschweren»
Auch fehlten Paragrafen zu einer unabhängigen Kontrolle, dass die Richtlinien wirklich eingehalten würden, und zu allfälligen Sanktionen. VSI-Geschäftsführer Robert Simmen verweist auf die verbandseigene Beschwerdestelle, bei der sich unzufriedene Schuldner melden können. Diese würde eine Einigung suchen, das betroffene Inkassobüro ermahnen oder bei schweren Verstössen aus dem Verband ausschliessen.
Ein Ausschluss bedeutet jedoch kein Berufsverbot, da Inkassobüros keine Zulassung benötigen. Simmen betont, dass der VSI die Einrichtung einer Zulassungsstelle durch den Bund begrüssen würde. Etwas, das der Konsumentenschutz sicher gern hört.
Im neuen Jahr will die SKS Inkassobüros, die gegen die Richtlinien verstossen, auf einer Schwarzen Liste an den Pranger stellen. Betroffenen Konsumenten bringt dies jedoch wenig, da sie das Inkassobüro nicht selber wählen können.