Es begann alles mit einem Einbruch mitten in der Nacht. Das Auto von Adrian B. stand in seiner eigenen, abgeschlossenen Tiefgarage. Trotzdem gelangte ein Dieb hinein, schlug die Fensterscheibe ein und klaute das Portemonnaie aus der Mittelkonsole. Im Portemonnaie befand sich auch die Kreditkarte von Adrian B. Mit seiner Beute machte sich der Täter auf den Weg zu einem nahegelegenen Valora-Kiosk.
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Und was dort geschah, macht fassungslos. Der Dieb kaufte mit B.'s Kreditkarte immer und immer und immer wieder ein. Er buchte mit der Möglichkeit des kontaktlosen Zahlens über ein Dutzend Mal kleinere Beträge von maximal 40 Franken ab. Alles innert weniger Minuten. Alles an ein und demselben Kiosk.
Viseca nimmt Zusage zurück
Adrian B. entdeckte den Diebstahl, als er am nächsten Morgen zur Arbeit fahren wollte. Er kontaktierte seine Kreditkartenherstellerin Viseca und liess die Karte sofort sperren. Dass es die Funktion des kontaktlosen Zahlens überhaupt gibt – das wusste Adrian B. zu diesem Zeitpunkt nicht. Entsprechend machte er sich auch keine Sorgen.
Später erfuhr er, dass der Dieb mit seiner Karte für einen Betrag von fast 600 Franken eingekauft hatte. Adrian B. war schockiert. Dachte er doch, seine Karte – die er unabhängig von seinem Pincode aufbewahrte – sei sicher.
Doch einige Zeit danach folgte die böse Überraschung. Die Viseca schickte Adrian B. ein Schreiben und kündigte an, den durch den Missbrauch entstandenen Schaden doch nicht zu übernehmen. «In dem Schreiben stand, dass ich meine Karte fahrlässig aufbewart hätte – deshalb wolle die Viseca nicht bezahlen. Das ist in meinen Augen völlig unverständlich», sagt Adrian B. im Interview mit dem «Kassensturz».
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«System hat nicht versagt»
Auch Ueli Grüter kann das Verhalten der Kreditkartenherausgeberin nicht verstehen. Der Dozent für Konsumentenrecht an der Fachhochschule Luzern sagt, die Viseca habe ihre Sorgfaltspflicht verletzt. Ihr Sicherheitssystem habe versagt. So einen offensichtlichen Missbrauch müssen die Kreditkartenherausgeber erkennen und technisch verhindern. «Deshalb hätte das Opfer die Karte auch auf der Strasse liegenlassen können – die Viseca muss diesen Schaden übernehmen.»
Der Dieb konnte erwiesenermassen 16 Mal einkaufen, bis das System reagierte. Eine viel zu hohe Zahl, sagt Ueli Grüter. Kein Mensch kaufe mehr als zwei oder drei Mal hintereinander an der gleichen Kasse ein, sagt er. Das sei völlig wider die Natur.
Kartenherausgeber verzichten auf rigorosen Missbrauchsschutz
Fakt ist: Die Kartenherausgeber könnten von sich aus eine Limite einbauen, ab wann das System nach dem Pincode fragen sollte. Bei der Lancierung versicherte die Branche auch, das System sei auch bei Diebstahl sicher.
Dennoch: Eine Umfrage von «Kassensturz» bei sechs Kreditkartenherausgebern zeigt, nicht nur bei der Viseca ist die Anzahl der kontaktlosen Einkäufe unlimitiert. Auch Cornercard setzt keine Grenzen. Die UBS sagt, dass ab einem «tiefen dreistelligen Betrag» Schluss sei und der Pincode abgefragt werde. Auch Postfinance hat Limiten. Swisscard und Cembra wollten keine Angaben machen.
Die Viseca selbst sagt in einer schriftlichen Stellungnahme, das Sicherheitssystem habe funktioniert. Die Karte sei gesperrt worden, bevor Adrian B. den Diebstahl gemeldet habe. «Für einen Kreditkartenherausgeber besteht stets eine Gratwanderung zwischen dem Verhindern von effektiven Betrugsfällen und dem Ablehnen von legitimen Transaktionen.»
Tipp: Auf Lastschriftverfahren verzichten
Adrian B. hat die Abfuhr der Viseca nicht akzeptiert und mittels eines eingeschriebenen Briefes Beschwerde eingereicht. Einige Zeit später erhielt er Antwort von der Viseca. Da hiess es, die Firma werde den Schaden aus «Kulanz» und weil Adrian B. «ein solch guter Kunde sei», doch übernehmen. Für Adrian B. zwar der falsche Ansatz, für ihn hat sich der Fall dennoch erledigt, da er sein Geld zurückerhalten hat.
Konsumentenrechtler Ueli Grüter rät Kreditkarteninhabern, sich selbst zu schützen – wenn es die Herausgeber nicht tun. Er sagt, eine Kreditkarte solle immer unabhängig von einem Bankkonto abgeschlossen werden. Zudem sollten die Beträge niemals im Lastschriftverfahren bezahlt werden – sondern immer auf Rechnung. Denn so – sagt der Experte – sei der Kreditkartenherausgeber in der Beweispflicht und müsse gegen den Kunden klagen. Und nicht umgekehrt.