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Glutenfreie Produkte sind massiv teurer
Aus Kassensturz vom 13.03.2012.
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Gesundheit Getreidefreie Produkte massiv überteuert

Immer mehr Menschen sind auf glutenfreie Produkte angewiesen. Sie müssen dafür tief in die Tasche greifen. Jetzt lanciert die Migros eine neue Produkte-Linie. «Kassensturz» zeigt, die Preise bleiben im Vergleich zum Ausland überteuert. Die Stiftung für Konsumentenschutz verlangt tiefere Preise.

Seit dieser Woche bäckt Migros ihre eigenen glutenfreien Brötchen und verkauft sie wie die bisherigen getreidefreien Produkte unter dem Allergiker-Label «Aha!». Migros will sich damit in einem boomenden Markt positionieren. 

Glutenfreie Lebensmittel sind ein gutes Geschäft, denn immer mehr Menschen bekommen vom Arzt die Diagnose «Zöliakie». Diese Krankheit erfordert einen strikten Verzicht auf glutenhaltige Produkte. Bereits ein Brotkrümel kann Bauchschmerzen, Durchfall oder Übelkeit bewirken. 

Spaghetti kosten fünfmal mehr

Glutenfreie Lebensmittel werden meist aus Mais- oder Reismehl hergestellt. Sie sind ein Vielfaches teurer als getreidehaltige Lebensmittel.

Tabelle mit Übersicht
Legende: Preisvergleich normale und glutenfreie Spaghetti SRF

Kein Verständnis für diese hohen Preise hat Sara Stalder, Geschäftsleiterin der Stiftung Konsumentenschutz: «Dass glutenfreie Spaghetti fünfmal mehr kosten, ist ein nicht tragbares Missverhältnis für ein ganz gewöhnliches Grundnahrungsprodukt.»

Krasses Missverhältnis im Peis

Die neuen glutenfreien Backwaren aus der Migros-Bäckerei Jowa sind zwar etwas günstiger als das bisherige Migros-Angebot, aber immer noch massiv teurer als normales Brot. «Wir haben höhere Rohstoffkosten, höhere Produktionskosten, höhere Sicherheitsanforderungen, und das schlägt sich alles im Endpreis nieder», begründet Heike Zimmermann von Jowa.

Das Gleiche im Ausland billiger

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Legende: Preisvergleich glutenfreies Brot SRF

Dass es aber auch billiger geht, zeigt der Blick über die Grenze. Die Südtiroler Firma Schär ist Markleader Europas und beliefert Reformhäuser und Detailhändler mit seinen Produkten. Die identischen Schär-Brötchen kosten bei Coop 24 Franken pro Kilo. In deutschen Drogeriekette dm hingegen nur 14.70 Franken. Coop ist mit dem gleichen Produkt aus der gleichen Fabrik 63 Prozent teurer.

«Sie haben nur mit Deutschland verglichen, im Vergleich zu Frankreich und Italien sind wir günstiger oder gleich teuer», sagt Coop-Einkaufschef Christian Guggisberg. In der Schweiz würden kleinere Mengen umgesetzt, ausserdem müsse Coop auch Importzölle zahlen, was bis zu 10 Prozent des Preises ausmache.

Eine Preisüberprüfung beim identischen Mehl von Schär zeigt: Coop ist im Vergleich zum deutschen Drogeriemarkt dm 73 Prozent teurer.

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Legende: Preisvergleich Schweiz / Deutschland SRF

Nischenmarkt mit wenig Wettbewerb

Die Argumente des Handels lässt Wirtschaftsprofessor Tilman Slembeck nicht gelten. Vielmehr gäbe es in diesem Special-Interest-Bereich keinen Preisdruck. «Das ist ein Nischenmarkt mit wenigen Anbietern und deshalb auch weniger Wettbewerb», sagt Slembeck. Andererseits seien die betroffenen Konsumentinnen und Konsumenten auf die Nahrungsmittel angewiesen und bereit, mehr zu zahlen.

Preise müssen runter

Wieso die Produkte in der Schweiz 30 bis 50 Prozent teurer sind als in Deutschland, kann Sara Stalder vom Konsumentenschutz nicht nachvollziehen. «Obwohl immer mehr glutenfreie Produkte verkauft werden, bleiben die Preise hoch», sagt Stalder. «Hier spielt der Markt überhaupt nicht.» Der Konsumentenschutz fordert deshalb, dass die Preise glutenfreier Lebensmittel um 20 bis 25 Prozent gesenkt werden.

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Gluten-Allergie häufig eingebildet
Aus Puls vom 12.03.2012.
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Was ist Zöliakie?

Zöliakie ist eine Unverträglichkeit des Dünndarms gegenüber Gluten. Gluten ist ein Sammelbegriff für Proteine, die in den Getreidesorten Weizen, Dinkel und Ur-Dinkel, Grünkern, Gerste, Roggen und Hafer enthalten sind.

Bereits durch kleine Mengen glutenhaltiger Nahrungsmittel wird bei Zöliakiebetroffenen die Dünndarmschleimhaut durch eine Autoimmunreaktion geschädigt.

Man geht davon aus, dass ca. eine von 100 Personen betroffen ist. Bis jetzt sind keine therapeutischen Möglichkeiten bekannt. Die Betroffenen können aber beschwerdefrei und gesund leben, solange sie eine glutenfreie Ernährung konsequent einhalten.

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