Die elfjährige Julia hat schiefe Zähne. Sie müssen korrigiert werden, sagt ihr Zahnarzt, sonst bekommt sie später eventuell Probleme beim Kauen. Zahnspangen kosten mehrere tausend Franken – eine grosse Belastung für jedes Familienbudget.
Julias Mutter möchte, dass ihre Kinder später ein schönes Lachen haben, doch wie viel Korrektur ist wirklich nötig?
Klare Diagnose
«Kassensturz» nimmt Julia mit zum Experten. Arnold Baumann führt eine Praxis in Wohlen. Er ist ehemaliger Präsident des Kieferorthopäden-Verbands. Für «Kassensturz» untersucht er Julias Zähne. Am Anfang jeder kieferorthopädischen Behandlung erstellt der Zahnarzt sogenannte Behandlungsunterlagen.
Dazu gehören Fotos, ein Gipsabdruck von Julias Gebiss und spezielle Röntgenaufnahmen des Schädels. Allein für diese Unterlagen verlangen Zahnärzte unterschiedliche Preise: Sie können zwischen 700 und 1500 Franken verrechnen. Doch diese Hilfsmittel brauchen sie, um einen genauen Behandlungsplan aufzustellen.
Der Experte stellt eine klare Diagnose: «Julia hat vor allem zu wenig Platz für ihre Zähne. Aus dem Grund ist es wichtig, dass wir jetzt während der Gebissentwicklung diese Zahnbögen stützen und dann, wenn sie alle Zähne hat, mit einer festsitzenden Apparatur, mit einem Gartenhag, die Zahnbögen ausformen und schön aufeinander stellen.»
Die Behandlung dauere etwa 3 bis 4 Jahre. Die Eltern müssten mit Kosten rechnen von 8500 Franken. «Kassensturz»-Redaktorin Ursula Gabathuler machte eine verdeckte Recherche. Zusammen mit ihrer Nichte Julia besuchte sie fünf zufällig ausgewählte Kieferorthopäden. Welche Behandlung schlagen sie vor? Und zu welchem Preis?
Fehlende Infos
Die günstigste Offerte macht die Praxis Saxer und Frei in Bad Zurzach. Kieferorthopäde Marcel Frei schlägt eine zweistufige Behandlung vor, die drei Jahre dauert. Im Kostenvoranschlag offeriert Marcel Frei die gesamte Behandlung für 8900 Franken.
«Kassensturz» legt die zuvor anonymisierten Kostenvoranschläge Experte Arnold Baumann vor. Sein Urteil zu Frei: «Der Behandlungsplan von dem Zahnarzt löst die Probleme von Julia. Es ist ein guter Behandlungsplan der Ablauf der Behandlungsgeräte ist gut gewählt.»
Dadurch bleibe er auch kostenmässig in einem vernünftigen Rahmen. Der Kostenvoranschlag sei zudem gut formuliert, er beinhalte auch alle Informationen, inklusive Taxpunktwert, sagt Baumann. Auch in der Praxis von Doktor Anner in Basel verläuft die Untersuchung gründlich. Kieferorthopäde Anner rät eindringlich, mit der Behandlung möglichst schnell zu beginnen. Sein Kostenvoranschlag: 10'000 Franken. Experte Baumann: «Die Kosten sind angegeben, aber was fehlt, ist der Taxpunktwert, den er verwendet.»
Das Zahnarztzentrum in Luzern: Dort arbeitet Kieferorthopädin Christine Keysers. Sie gewinnt sofort Julias Vertrauen und zeigt ihr, welche Zahnspange sie verwenden will. Bereits einen Tag später liegt der schriftliche Kostenvoranschlag im Briefkasten: 11'000 Franken.
Das Urteil des Experten: «Dieser Kostenvoranschlag enthält knappe Informationen. Es fehlt eine Problembeschreibung.» Man sehe aber, was der Zahnarzt für Geräte verwende.
Aus dem könne man schliessen, dass die Probleme von Julia gelöst würden. Der Zahnarzt brauche in der ersten Phase abnehmbare, im Labor hergestellte Geräte. Offenbar komme er dadurch auf etwas höhere Kosten, sagt Baumann.
Teures Pflaster
Richtig teuer wird es in Zürich: Der Besuch in der Praxis Felix Rohrer am Stadelhoferplatz dauert kaum 20 Minuten. Der Kieferorthopäde schreibt den Kostenvoranschlag sofort am Computer. Die Behandlung bei ihm kostet 13'500 Franken.
Die Behandlung sehe sinnvoll aus und sei gut aufgebaut, sagt der Experte. Die Kosten selber seien relativ hoch: «Ich gehe davon aus, dass sie einer städtischen Praxis entsprechen.» Das Stadt-Land-Gefälle sehe man beim Preis.
Felix Rohner schreibt «Kassensturz»: «Ich bin bei der Angabe von Behandlungskosten, ohne Vorliegen einer detaillierten Planung, bedacht darauf, keine zu tiefe Schätzung abzugeben, weil ich diese nicht im Nachhinein erhöhen möchte. Es war mir noch nie jemand böse, wenn sich herausstellte, dass die Schätzung zu hoch war.»
Eine ganz andere Diagnose bekommt Julia in der Klinik Swisssmile an der Zürcher Bahnhofstrasse. Der Kieferorthopäde Ralf Dux schaut bei der Gratis-Konsultation Julia nur kurz in den Mund und meint: «abwarten». Eine Behandlung sei erst in eineinhalb Jahren nötig und koste dann zwischen 12'000 und 15'000 Franken.
Klinikleiter Michael Meier erklärt, dass Doktor Dux bis vor Kurzem in Deutschland tätig war. Er habe dort bis zu 60 Kinder am Tag gesehen und könne darum schnell abschätzen, wo die Probleme liegen. Seine Behandlungsphilosophie sei einfach eine andere, man wolle die Kinder nicht traumatisieren, deshalb sei die Behandlungsdauer kürzer. Im Schnitt koste eine Behandlung 9000 bis 11'000 Franken.
Experte Baumann ist vom Swisssmile-Vorschlag nicht überzeugt: «Ich habe den Eindruck, dass der Zahnarzt Julia gar nicht richtig angeschaut hat.» Seiner Ansicht nach ist es falsch, mit der Behandlung zuzuwarten, bis die Milchzähne draussen sind.
Baumann: «Wenn man Julia über den Zahnwechsel pflegt und behandelt, dann hat man viel mehr Möglichkeiten, das zu lösen.» Die mündliche Kostenorientierung des Zahnarztes erscheint Baumann sehr hoch für die kurze Behandlungsdauer.
Offerten zwischen knapp 9000 und 15'000 Franken, Behandlungszeiten von eineinhalb bis vier Jahren, das sind massive Unterschiede – es lohnt sich also durchaus bei Zahnkorrekturen eine Zweitmeinung einzuholen, auch wenn diese etwas kostet.