Leon von Allmen brach sich beim Spielen den rechten Oberschenkel. Fast einen Monat lang musste der Zweieinhalbjährige Tag und Nacht in einem Gestell liegen – mit beiden Beinen senkrecht nach oben. Das Berner Inselspital empfahl der Familie von Allmen, den Sohn zu Hause gemeinsam mit der Spitex zu pflegen. Doch den Transport nach Hause hätten die Eltern im privaten Auto machen sollen. Eine Ambulanz sei dafür nicht nötig, hiess es im Spital. Für die Mutter war das nicht nachvollziehbar. Heutzutage müsse man Kinder bis zwölfjährig sogar im Kindersitz transportieren, sagt Diana von Allmen.
Einfach «vorsichtig fahren»
Familie von Allmen entschied, ihren Sohn aus Sicherheitsgründen und trotz hohen Kosten mit der Ambulanz zu transportieren. Die beiden Transporte vom Inselspital nach Steffisburg bei Thun und wieder zurück zum Kontrolltermin ins Spital kosten pro Weg zwischen 700 und 800 Franken. Total müssen sie 1500 Franken bezahlen. Auch die Krankenkasse zahlt nicht: Patiententransporte werden in der Grundversicherung nur zur Hälfte übernommen, maximal 500 Franken pro Jahr. Weil dieser Transport aber nicht vom Spital verordnet wurde, zahlt die Krankenkasse gar nicht.
Früher mussten Kinder mit Oberschenkelbrüchen wochenlang im Spital bleiben. Ein traumatisches Erlebnis für die Kinder, sagt Direktor und Chefarzt der Kinderchirurgie, Zacharias Zachariou. Heute können sie in diesen Gestellen nach Hause. Normalerweise würden die Kinder auf dem Rücksitz eines normalen Autos platziert. Problematische Situationen seien ihm nicht bekannt. «Natürlich muss man vorsichtig fahren», fügt Zacharias Zachariou an.
Kosten gesenkt und bestraft
Auch der zweieinhalbjährige Joris van Rhee aus Beatenberg im Berner Oberland brach sich Anfang Jahr den Oberschenkelknochen. Nach kurzem Aufenthalt im Berner Inselspital wurde er ebenfalls zu Hause weiter gepflegt. Transportiert wurde er per Ambulanz von Bern in die Berge, bei Schnee, Eis und Kälte. Ihren Sohn Joris mit dem privaten Auto zu transportieren – so wie es das Spital den Eltern nahe legt – kam für die Mutter nicht in Frage. Alleine wäre sie gar nicht in der Lage gewesen, den Bub ins Haus zu tragen.
Auch Familie van Rhee muss den Transport selber berappen. Für den Krankenwagen bezahlen sie pro Weg weit über 1000 Franken. Das macht total mehr als 3000 Franken. Für Familie van Rhee ist unverständlich, weshalb das Spital sich weigert den Transport zu übernehmen. Schliesslich hätten sie ihren Sohn nach Hause genommen, betreut und somit die Kosten gesenkt. «Wenn man einen Tagesansatz im Spital betrachtet, wäre dies viel teurer, als wenn man diesen Transport bezahlt hätte», sagt Sarah van Rhee.
Polizei: Viel zu gefährlich
Familie Rhee handelte richtig. Ein Transport im privaten Auto sei viel zu gefährlich, sagt Frank Rüfenacht, Fachbereichsleiter Verkehr bei der Kantonspolizei Bern. Wer so herumfahre, mache sich strafbar. Das Gesetz sehe vor, dass man auf den Plätzen sitze, die im Fahrzeugausweis eingetragen seien. «Es ist nicht vorgesehen, dass man jemand liegend transportieren kann», unterstreicht der Polizist.
«Kassensturz» trifft Patientenanwalt Ueli Kieser. Auch wenn die Kinder zu Hause sind und die Eltern die Pflege übernehmen, seien die Kinder noch lange nicht gesund. Sie befänden sich eigentlich noch in der Obhut des Spitals. Deshalb handle es sich um eine Verlegung vom Spital nach Hause. Ueli Kieser: «Bei einer solchen Verlegung muss das Spital auch die Transportkosten bezahlen.»
Doch ein Spezialfahrzeug
Das Inselspital Bern beharrt in seiner Stellungnahme darauf, dass die Eltern die Transportkosten übernehmen müssen. Es habe sich um eine Entlassung und nicht um eine Verlegung gehandelt. Allerdings krebst das Spital bezüglich der Aussage, dass der Transport mit einem normalen Auto möglich sei, zurück. Es brauche tatsächlich ein Spezialfahrzeug. Das müsse aber nicht zwingend eine Ambulanz sein, die Kinder könnten auch mit einem Behindertentaxi transportiert werden. Das Inselspital entschuldigt sich bei den Eltern für die diesbezügliche Fehlinformation.