Es ist höchste Zeit. Die Preise, die das Bundesamt für Gesundheit (BAG) für medizinische Hilfsmittel bewilligt hat, stammen teilweise aus den 90er-Jahren. Die Folge sind veraltete und teils massiv überhöhte Preise.
Daniel Bach, Kommunikationsleiter des Bundesamts für Gesundheit, räumt im Interview mit «Kassensturz» ein, dass das Amt seit Jahren weiss, dass viele Preise zu hoch sind. «Wir haben einzelne Produktegruppen angepasst, aber nie die ganze Liste im Detail angeschaut», so Bach.
Gegenüber «Kassensturz» kündigt das BAG nun eine Total-Revision der Mittel- und Gegenstände-Liste (MiGel) an. «Bis Ende nächstes Jahr werden wir die MiGel-Liste überarbeiten. Wir werden sämtliche Posten genau anschauen.» Das Bundesamt für Gesundheit schätzt das Sparpotenzial auf zehn bis zwanzig Millionen Franken ein – der Krankenkassenverband Santésuisse geht sogar von 100 Millionen Franken aus.
«Kassensturz» kennt viele Beispiele: In der Apotheke kosten 40 Vlieskompressen 24 Franken. Und was kosten dieselben Kompressen, in derselben Apotheke, wenn über die Krankenkasse abgerechnet wird? 194 Franken! Diese Erfahrung machte «Kassensturz»-Zuschauer Anton Fridrich. Er brauchte aufgrund einer Operation Kompressen zur Nachbehandlung.
Behörde bewilligt überhöhte Preise
Die Apotheke darf diesen Betrag verlangen und die Krankenversicherung muss das begleichen, denn das Bundesamt für Gesundheit bewilligt in der Mittel- und Gegenstände-Liste (MiGel) einen Höchstvergütungsbetrag von 9.70 Franken pro Beutel. Ausgerechnet auf den Kauf von Anton Fridrich ergibt das 20 mal 9.70 Franken. Total also 194 Franken.
Das ist ein absurd hoher Preis, denn der Apotheker-Einkaufspreis von Kompressen beträgt ausgerechnet auf einen Beutel: 30 Rappen. Die Produkte gehen in vielen Verkaufsstellen für 1.20 Franken über den Ladentisch. Das BAG setzt den Maximalpreis bei unglaublichen 9.70 Franken fest – seit 1997.
Auf den absurd hohen Preis angesprochen spricht das BAG von einem «Fehler». Dieser Preis hätte schon längst angepasst werden müssen. «Das ist ein Versehen. Der Preis wird bis Ende Jahr korrigiert», sagt dazu BAG-Sprecher Daniel Bach.
Kein Einzelfall. Zahlen des Vereins Ifak - für die unabhängige Apotheke verdeutlichen die absurden Preisunterschiede.
- Auch bei Fussbandagen zahlt der Prämienzahler massiv zu viel. Der Apotheker bekommt sie für 14.15 Franken. Der Verkaufspreis ohne Arztrezept liegt bei rund 20 Franken. Der MiGel-Höchstpreis: 126 Franken.
- Für 100 Einweg- Spritzkanülen bezahlt der Apotheker 9.60 Franken. Veräussert werden sie für 17.10 Franken. Das BAG setzt einen höheren Preis; gelistet sind 45 Franken.
- Auch Krücken sind absurd hoch gelistet: Einkaufspreis 17.75 Franken. Verkaufspreis ohne Krankenkassenbeteiligung: 24 Franken. Der Prämienzahler bezahlt jedoch amtlich abgesegnet 81 Franken.
Einsparungen von 100 Millionen pro Jahr möglich
Frühere Beiträge:
Im «Kassensturz» schätzt der Krankenkassenverband Santésuisse, dass Prämienzahler jährlich 100 Millionen zu viel begleichen – nur aufgrund von überhöhten Maximalpreisen auf der Mittel- und Gegenständeliste des BAG.
Verena Nold, Direktorin des Krankenkassenverbandes Santésuisse, ärgert sich darüber, dass das BAG seit Jahren an den Fantasiepreisen festhält: «Wir weisen seit Jahren darauf hin, dass Prämienzahlerinnen und Prämienzahler viel zu viel bezahlen, dass im Ausland die Preise viel billiger sind.» Die MiGel-Preise müssten sofort gesenkt werden, fügt die Direktorin an.
Ausgaben für Hilfsmittel verdoppelt
Seit Jahren steigen die Kosten bei medizinischen Hilfsmitteln überdurchschnittlich. 2004 beliefen sich die MiGel-Kosten noch auf 260 Millionen Franken. «Kassensturz» weiss: Seither haben sich die Ausgaben mehr als verdoppelt. Im 2015 zahlten Prämienzahler – nach Angaben der Statistikfirma Sasis – für medizinische Hilfsmittel 535 Millionen Franken. Über hundert Prozent mehr als im 2004.
Auch Preisüberwacher Stefan Meierhans kennt das Problem der veralteten und total überhöhten Preise in der Mittel- und Gegenständeliste: «Die aktuell festgelegten Preise sind eine Einladung für Hersteller und Verkäufer, sich beim Prämienzahler zu bedienen.» Er erwarte keine Wunder.
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«Aber ich erwarte, dass man regelmässig diese Liste überprüft und schaut, ob diese Preise noch in Ordnung sind.» Die Preise müssten dazu mit dem Ausland verglichen werden. «Das verlangt auch das Gesetz: eine wirtschaftliche, gute Versorgung für Schweizerinnen und Schweizer. Und das muss man einfach umsetzen.»