Apotheken kassieren erhebliche Summen aus Promotionsvereinbarungen mit der Pharmaindustrie. Das zeigen vertrauliche Dokumente, die «Kassensturz» vorliegen. Durch solche Deals erhalten Pharmafirmen die Möglichkeit, Produkte prominent in den Regalen von Apotheken zu platzieren. Apotheken kassieren dafür Regalgebühren.
Die Firma Galenicare beispielsweise bietet den Pharmafirmen ein «erfolgreiches Verkaufen» in ihrem Apothekennetzwerk an. Zu Galenicare, einem Unternehmen der Galenica-Gruppe, gehören die Apotheken von Amavita, Coop Vitality und Feelgood’s, insgesamt 350 Apotheken.
55‘000 Franken für zwei Tablare
Eine Promotionsmöglichkeit, die Galenicare anbietet, ist das Paket «Star des Monats». Freiverkäufliche Medikamente können auf zwei Tablaren «in bester Sichtwahl» ausgestellt werden. Preis: monatlich 55'000 Franken für 150 Amavita-Apotheken.
Der Pharma-Experte Salvatore Volante weiss, dass Apotheken-Gruppierungen mit der Pharmaindustrie Promotionsvereinbarungen abschliessen. Pharmafirmen hätten im Rahmen von solchen Vereinbarungen verschiedene Möglichkeiten: «Da kann die entsprechende Pharmafirma auswählen. Man kann Inserate machen, man kann einen Thekensteller haben oder man kann im Regal in Sichtweite sein.»
Der Branchenkenner und ehemalige CEO einer Pharma-Firma sagt weiter: Solche Vereinbarungen spielen eine Rolle bei der Zusammenstellung des Empfehlungssortiments von freiverkäuflichen Medikamenten. Dieses besteht gemäss Volante aus rund vier Produkten pro Krankheitsbild.
Verträge mit Hersteller beeinflussen Apotheker
Salvatore Volante erklärt: «Die Promotionsvereinbarungen haben einen Einfluss. Das heisst, wenn man als Geschäftspartner vereinbart, dass man ein Produkt fördern will, dann wird dieses in erster Linie empfohlen.» Kunden hätten aber die Möglichkeit, auch ein anderes Produkt zu verlangen.
«Kassensturz» machte den Test: Bei Testkäufen in Amavita-Apotheken verlangten Reporter ein Vitaminpräparat. Das Energiepräparat Supradyn ist «Star des Monats» – bei den Testkäufen empfahlen Mitarbeiter prompt genau dieses. Für Apotheken sind die freiverkäuflichen Medikamente, sogenannte OTC-Produkte, ein wichtiges Geschäft: Sie machen damit über 530 Millionen Franken Umsatz pro Jahr, berechnet auf der Basis von Fabrikabgabepreisen.
«Absolut stossend»
Erika Ziltener, Präsidentin des Dachverbands der Schweizerischen Patientenstellen, beurteilt die geheimen Deals zwischen Apotheken und Pharmafirmen kritisch. «Ich finde die hohen Zahlungen für Regalgebühren und Werbung absolut stossend.» Sie könnten den Apotheker in der Beratung einschränken, weil er dann die Medikamente bevorzuge, für die er Werbung macht.
- Ihre Meinung Ihre Meinung
- Kassensturz vom 10.11.2009: Wie Apotheker sich kaufen lassen Kassensturz vom 10.11.2009: Wie Apotheker sich kaufen lassen
- Kassensturz vom 30.06.2009: Ärzte im Solde der Pharmaindustrie Kassensturz vom 30.06.2009: Ärzte im Solde der Pharmaindustrie
- Günstige Generika finden Günstige Generika finden
Eine mögliche Folge solcher Verträge: Apotheker empfehlen nicht das beste, sondern das für sie lukrativste Produkte. «Kassensturz» konfrontiert Felix Burkhard, Leiter Geschäftsbereich Retail bei Galenicare, mit diesem Vorwurf. Burkhard betont:
«Der Apotheker und auch die übrigen Mitarbeiter in der Apotheke beraten frei und unabhängig.» Ihr einziges Ziel sei, dem Kunden die Produkte zu empfehlen, die ihm helfen. Wenn sie – wie beim «Star des Monats» – gleichzeitig noch einen guten Preis anbieten können, sei dies für die Kunden eine gute Beratung.
Burkhard erklärt weiter, dass die Apotheker und die Mitarbeiter keine finanziellen Anreize hätten, bestimmte Produkte zu bevorzugen. Patientenschützerin Erika Ziltener bleibt skeptisch gegenüber der Werbeflut in Apotheken. «Für mich macht die viele Werbung, wo viel Geld fliesst, schon den Eindruck, als ginge es dem Apotheker primär um den finanziellen Profit und erst in zweiter Linie um die Patientin und den Patienten.»
Die Apothekengruppierung Toppharm schreibt «Kassensturz», dass ihre Apotheken unabhängig geführt werden und das Regalgebühren nur eine «marginale Rolle» spielen würden. Auf die Beratung hätten Vereinbarungen mit der Pharmaindustrie keinen Einfluss.