Ilona Ehmke suchte einen Geburtsvorbereitungskurs in ihrer Nähe. Im Internet stiess sie auf ein Angebot der Firma Rosarot und Himmelblau. Sie meldete sich an und bezahlte 290 Franken im Voraus.
Fünf Tage vor Kursbeginn jedoch kam die Absage. Die Kursleiterin habe Ischias-Schmerzen. Weil vor dem Geburtstermin kein anderer passender Kurs im Angebot war, verlangte Ilona Ehmke ihr Geld zurück.
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Trotz Absage kein Geld zurück
Doch Rosarot und Himmelblau lehnte ab und verwies auf die AGB: Dort steht, es komme «grundsätzlich nicht zu einer Rückerstattung der Kursgebühren». Ilona Ehmke ärgert sich: «Gerade in einem Kurs, wo es um Geburtsvorbereitung geht, ist das ein absolutes No-Go.»
Inhaberin der Firma Rosarot und Himmelblau ist Sandra Preisig. «Kassensturz»-Recherchen zeigen: Die diplomierte Hebamme ist kein unbeschriebenes Blatt: 2013 hat ihr das Verwaltungsgericht St. Gallen die Berufsausübungsbewilligung als freie Hebamme entzogen.
Fehlerhafte Abrechnungen
Der Grund: Fehlerhafte Abrechnungen, und weil sie den Anschein erweckte, ein Masterstudium in Midwifery, also Hebammenwissenschaft, abgeschlossen zu haben. Nach dem Gerichtsurteil im Kanton St.Gallen arbeitete Sandra Preisig in anderen Kantonen weiter.
Auch bei Familie Perroni im Kanton Thurgau: Sie engagierte die Hebamme für Hausbesuche. Hebamme Preisig sei insgesamt drei Mal gekommen. Daniela Perroni musste für die Hebamme Abrechnungsformulare unterschreiben.
«Vertrauen ausgenutzt»
Erst im Nachhinein machte sie diese Entdeckung: Über die Krankenkasse habe die Hebamme statt 3 insgesamt 19 Besuche abgerechnet. Auch an Daten, an denen Daniela Perroni nachweislich in den Ferien war.
Daniela Perroni sagt, die Hebamme habe ihr Vertrauen ausgenutzt: «Eine Hebamme hat einen so grossen Stellenwert, man vertraut ihr sich und das Baby an, man verlässt sich auf die Person. Dann ist es schade, wenn man so hintergangen wird.»
Krankenkassen klagen gegen Hebamme
Es gibt weitere Wöchnerinnen, bei denen Sandra Preisig zu viel abgerechnet haben soll. Wegen falscher Abrechnungen und anderer Delikte wird sie erneut angeklagt. Diesmal im Kanton Appenzell Ausserrhoden. Dort ist eine Klage von 28 Krankenkassen hängig.
Es geht um gewerbsmässigen Betrug – und andere Delikte: unter anderem um Urkundenfälschung, falsches ärztliches Zeugnis und das Verbreiten menschlicher Krankheiten, weil Preisig trotz ansteckender Gürtelrose Hausbesuche gemacht haben soll.
Berufsverbot in SG, BE und SO
Doch damit nicht genug. «Kassensturz» findet heraus: Nicht nur der Kanton St. Gallen hat Sandra Preisig die Bewilligung entzogen, auch in den Kantonen Bern und Solothurn darf sie nicht mehr als freiberufliche Hebamme arbeiten. Weitere Verfahren laufen in den Kantonen Schaffhausen, Thurgau und Zürich.
Wieso kann Sandra Preisig weiter aktiv sein, obwohl ihr mehrere Kantone die Berufsausübungsbewilligung entzogen haben? «Kassensturz» konfrontiert Thomas Heiniger, den Präsidenten der Gesundheitsdirektorenkonferenz, mit dem Missstand.
Neues kantonales Register
Er räumt ein: «Das ist ein unbefriedigender Zustand. Bund und Kantone haben das jetzt gemerkt und auf der einen Seite ein Register aufgebaut.» Zudem gibt es neu eine gesetzliche Informationspflicht für Kantone. Das heisst, wenn ein Kanton einer Person die Berufsausübungsbewilligung entzieht, muss er andere Kantone, in denen diese Person praktiziert, informieren.
Sandra Preisig hat die Fragen von «Kassensturz» wochenlang nicht beantwortet. Erst kurz vor Ausstrahlung des Berichts nahm ihr Anwalt Stellung zu den Vorwürfen: Ilona Ehmke, die das Kursgeld zurückforderte, habe in der Zwischenzeit einen Gutschein über 350 Franken erhalten.
Zum Fall Perroni schreibt der Anwalt, Sandra Preisig habe korrekt abgerechnet, sie sei nicht drei Mal, sondern zehn Mal bei Frau Perroni gewesen, und Perroni habe diese Leistungen visiert. Sandra Preisig hält zudem fest, dass die Berufsausübungsbewilligung nur für eine freiberufliche Hebamme nötig wäre.