Der Brief mit der «Gewinnzustellung» für 3000 Franken in bar war eindeutig: «Ihr Gewinn wartet nur noch, übergeben zu werden.» Als «Ehrengast» sei man «zur Carfahrt mit anschliessendem Besuch einer Schokifabrik mit Degustation» eingeladen. «Feiern Sie mit Ihrer Familie oder Freunden. Für vier Personen Ihrer Wahl sind die Leistungen (Abholen, Frühstück, etc.) ebenfalls gratis.» Paare und Ehepaare erhielten gratis einen Kaffeevollautomat. Zudem werde ein Fahrrad verlost.
Alle haben sich vorgenommen, nichts zu kaufen
35 Personen, mehrheitlich Seniorinnen und Senioren, sind der Einladung gefolgt und mit dem Reisebus bei Basel über die Grenze ins süddeutsche Städtchen Kandern gefahren. Alle mit dem Gewinnversprechen in der Tasche. Und alle haben sich fest vorgenommen, bei einer allfälligen Warenpräsentation nichts zu kaufen. Zwar glaubt niemand wirklich an den Gewinn. Aber trotzdem geben sich die meisten kampfbereit, wollen wenigstens versuchen, die versprochenen 3000 Franken oder mindestens die Kaffeemaschine einzufordern. Andere fahren nur mit, weil sie die Schokolade-Fabrik besuchen wollen.
Acht Stunden später kehrt fast ein Drittel der glücklichen Gewinner mit einer völlig nutzlosen und massiv überteuerten «Magnetfeldtherapie»-Decke der Firma Feelgood zurück in die Schweiz. Chef der Feelgood ist Bernd Kamper. Der Deutsche ist ein hervorragender Manipulator.
Weder Gewinne noch Schokifabrik-Besichtigung
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Natürlich hat Kamper niemandem 3000 Franken ausbezahlt. Es gab weder eine Kaffeemaschine noch ein Fahrrad und die angekündigte Degustation in der Schokoladefabrik fand auch nicht statt. Kein Wunder: Sie war gar nie geplant.
Was die Senioren nicht wussten: Kamper ist ein professioneller Schwindler – und genau wegen dieser Art von Kaffeefahrten vorbestraft. In Zürich liegt aus dem Jahr 2013 ein Strafbefehl wegen Verstosses gegen das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vor. Kamper hatte schon damals per Massenversand den Leuten versprochen, sie hätten 2000 Franken gewonnen und die Übergabe des Gewinns an eine Werbeveranstaltung gekoppelt. Genau das ist unlauter.
Trotz Verurteilung wird weiter abgezockt
Diese Verurteilung scheint den Wiederholungstäter nicht zu kümmern. Dass er die Schweizer nun über die Grenze nach Deutschland fahren lässt, spielt fürs Gesetz keine Rolle: Solche Kaffeefahrten sind auch verboten, wenn Schweizer Konsumenten in Deutschland abgezockt werden.
Die Gewinnversprechen sind das Lockmittel fürs wirkliche Geschäft: Den Verkauf einer «Magnetresonanz»-Decke. Sie schütze vor Elektrosmog, gegen Erdstrahlen und würde Krankheiten heilen.
Theo Hostettler fuhr zum Plausch mit. Es sei unglaublich, welche Kräfte Kamper der Decke angedichtet habe: «Das schlimmste war die Aussage, dass man dank dieser Matte keine Bluthochdrucktabletten mehr braucht, dass sie den Bluthochdruck reguliert.» Ein gefährliches Heilversprechen. «Wenn sich da jemand darauf verlässt und seine Tabletten nicht mehr nimmt....»
Vorgegaukelte Partner und falsche Referenzen
Kamper Verkauft die Decke mit einer Lüge: Den wirklichen Preis von 2998 Franken müsse niemand bezahlen. Denn die Decke wirke so gut, sagt Kamper, dass ein deutsches «Gesundheits-Förderprogramm» jede Decke mit 1400 Franken subventioniere. «Stimmt nicht», sagt Patrick Heinz von der Deutsche Gesundheitshilfe e.V. Die Gesundheitshilfe ist schon mehrmals gegen diese Falschaussagen juristisch vorgegangen.
Die frei erfundene Aussage zeigt Wirkung. «Eine Decke, die von der Gesundheitshilfe subventioniert wird, da müsse ja was dran sein», erklärt Hostettler den Effekt. «Zudem haben die Leute das Gefühl, sie erhalten 1400 Franken geschenkt.» Mit den Heilsversprechen verstösst Kamper gegen das Heilmittelgesetz. Noch schlimmer: Der Decke fehlt die vorgeschriebene Etikette mit einer Deklaration der für Allergiker möglicherweise heiklen Inhaltsstoffe.
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Nicht nur die Decke selbst, auch der Prospekt dazu ist von A bis Z ein Beschiss. Kamper listet falschen Referenzen für die vermeintliche Wirkung der Decke auf und verwendet Namen missbräuchlich. So steht zum Beispiel, die Studien seien «doppelblindgeführt, plazebokontrolliert und unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten ausgeführt». Dies bestätige auch ein Dr. Thomas Laser. «Mein Name wurde betrügerisch verwendet», sagt Thomas Laser gegenüber «Kassensturz». Er habe keine Studien mit Bezug zur Decke gemacht.
Verantwortlicher ist abgetaucht
Seit dem Besuch von «Kassensturz» ist Bernd Kamper abgetaucht. Auf Briefe an die Postfachadresse in Kandern antwortet er nicht. Der von Kamper angestellte Busfahrer sagt «Kassensturz», er habe keine Telefonnummer von Kamper. Auch im Restaurant Sonne in Kamden heisst es, man habe keine Telefonnummer. Seltsam.