Bei Familie Fessler ist wieder Normalität eingekehrt. Die Zeit, als ihre einjährige Tochter Mona schwer krank war, liegt einige Monate zurück. Die Mutter sagt: «Es gab viele Momente, in denen wir nicht wussten, wie es weiter geht.»
Mona leidet seit ihrem dritten Lebensmonat an Epilepsie. Es brauchte mehrere Monate und viele Untersuchungen im Kinderspital Basel und im Genfer Universitätsspital, um die Ursache herauszufinden und um geeignete Medikamente zu finden.
Die Mutter arbeitet Teilzeit, doch das war nicht mehr möglich. Sie sagt: «Es gab Wochen, da war ich zwei-, dreimal mit Mona im Kinderspital. Mona war lange sehr instabil.»
Bezahlter Betreuungsurlaub für berufstätige Eltern
Weil Olivia Fessler monatelang nicht arbeiten konnte, befürchtete sie einen Verdienstausfall. Deshalb beantragte sie den sogenannt bezahlten Betreuungsurlaub (EO). Auf der Homepage des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) steht, Eltern hätten Anspruch auf 14-wöchigen Betreuungsurlaub, wenn sie ihre berufliche Tätigkeit unterbrechen müssten, um ein schwer beeinträchtigtes Kind zu betreuen. Das Gesetz trat im Juli 2021 in Kraft. Der Bundesrat budgetierte pro Jahr 74 Millionen Franken für den Betreuungsurlaub.
Diese Kriterien müssen erfüllt sein:
- eine einschneidende Veränderung des körperlichen Zustandes
- schwer vorhersehbarer Verlauf
- ein erhöhter Bedarf an Betreuung
- Unterbruch der Erwerbstätigkeit
Mit dem Betreuungsurlaub springt der Bund ein und entschädigt den Verdienstausfall der Eltern über die Erwerbsersatzordnung (EO) – wie beim Mutterschaftsurlaub. Betroffene Eltern erhalten 80 Prozent ihres Einkommens, während maximal 14 Wochen.
Eine Behinderung oder ein Geburtsgebrechen an sich gilt nicht als schwere gesundheitliche Beeinträchtigung im Sinne des Gesetzes.
Doch der Antrag der Familie Fessler für eine Betreuungsentschädigung wegen der Epilepsie ihrer Tochter wurde abgelehnt - zweimal. Die zuständige AHV-Ausgleichskasse schrieb: «Eine Behinderung oder ein Geburtsgebrechen an sich gilt nicht als schwere gesundheitliche Beeinträchtigung im Sinne des Gesetzes.» Es bestehe deshalb kein Anspruch auf Betreuungsentschädigung, wenn der Gesundheitszustand des beeinträchtigten Kindes stabil sei.
Service
Das können die Eltern nicht verstehen. Auch die Behindertenorganisation Procap kritisiert diesen Entscheid. Irja Zuber, Mitarbeiterin vom Procap-Rechtsdienst sagt: «Bei Mona hat es nach der Geburt ja eine akute Verschlechterung des Gesundheitszustandes gegeben. Das reicht gemäss dem Gesetz aus.»
Sie kritisiert, dass «eine Verschlechterung des Zustands mit ungewissem Ausgang» notwendig sei. Viele Eltern würden daher durch die Maschen fallen. Das führe am Ziel vorbei.
Der Bundesrat ging von jährlichen Kosten von 74 Millionen Franken für den Betreuungsurlaub aus. Die Zahlen des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) zeigen, dass in den Jahren 2021 und 2022 je 3,8 und 3,1 Millionen Franken - also ein Bruchteil davon - ausbezahlt wurde. Das BSV schreibt «Kassensturz», die Leistungsansprüche könnten noch steigen, da Auszahlungen verzögert erfolgten.
Vorstoss im Ständerat
Der Luzerner Ständerat Damian Müller fordert eine Änderung des Gesetzes und eine klare Definition von Kriterien. In einer Motion hat er letztes Jahr das Kriterium vorgeschlagen, dass ein Kind mindestens vier Tage im Spital sein muss.
Familie Fessler hat Beschwerde gegen die Ablehnung ihres Betreuungsurlaubs eingereicht. Sie betont, wie wichtig dieser für sie in einer schwierigen Zeit gewesen wäre.