Der Hörgerätemarkt verlagert sich immer mehr ins Internet. Corona – auch da ein Katalysator. Kommt hinzu: Online-Händler bieten die Hörhilfen teils günstiger an – was preisbewusste Kundinnen und Kunden in die Computertasten greifen lässt, anstatt den Weg zum Akustiker auf sich zu nehmen.
Neue Marktteilnehmer werden, wie in anderen Branchen auch, nicht einfach willkommen geheissen. Das spürt auch die Migelino GmbH. Verkaufte sie zuerst nur Zubehör für Hörgeräte, sind es seit vier Jahren auch die Geräte selber. Einen Verkaufsladen mit Beratung vor Ort gibt es allerdings nicht. Die Kunden müssen alles online machen. «Die meisten Kundinnen und Kunden haben ihre Abklärung beim Ohrenarzt gemacht. Wir machen dann den Geräteverkauf und die individuelle Anpassung online», sagt Manuel Jungen, Geschäftsführer und Inhaber von Migelino.
Hörgeräte vom Online-Grosshändler
Seit Herbst 2022 bietet Migelino Hörgeräte nicht mehr nur über die eigene Webseite, sondern auch via Online-Grosshändler Galaxus an. Seither müsse er um sein Geschäft kämpfen, sagt Manuel Jungen.
WS Audiology, Besitzerin der Hörgerätemarke Signia, unterbindet den Parallelimport von Signia-Geräten aus Grossbritannien. Migelinos UK-Lieferanten wurde nahegelegt, die Firma nicht mehr zu beliefern. Dies belegt ein Chat, der «Kassensturz» vorliegt. Migelino gegenüber macht WS Audiology zudem geltend, es fehlten die nötigen Registrierungen bei Swissmedic. Ausserdem würden die Betriebsanleitungen nicht mitversendet und auf den Verpackungen fehle die Kontaktadresse des Schweizer Bevollmächtigten (WS Audiology Switzerland AG).
Manuel Jungen widerspricht: «Zum Zeitpunkt, als uns der Lieferant abgestellt wurde, hatten wir alle nötigen Lizenzen. Die Anleitungen werden den Gerätepackungen beigelegt und zusätzlich per Mail versendet. Den Herstellerkleber hatten wir am Anfang nicht, aber als wir darauf hingewiesen wurden, haben wir das sofort korrigiert.»
Behinderung des Wettbewerbs?
Wird da der Wettbewerb auf dem Schweizer Hörgerätemarkt behindert? «Kassensturz» erkundigt sich beim Kartellrechtsexperten Patrick Krauskopf. Der Jurist ist Leiter des Zentrums für Wettbewerbsrecht der ZHAW und war Vizedirektor der Wettbewerbskommission (Weko). «Unser Kartellgesetz ist darauf ausgerichtet, den Parallelimport zu ermöglichen; zwischen dem Ausland und der Schweiz», sagt Patrick Krauskopf. Und: Unterschiedliche Regeln für die EU und für die Schweiz seien sehr schwierig zu begründen, so der Experte. «Was in der EU erlaubt ist, ist grundsätzlich auch in der Schweiz erlaubt. Was in der EU verboten ist, ist auch in der Schweiz verboten.»
Migelino hat eine Beschwerde bei der Weko eingereicht. Die Kommission schreibt «Kassensturz», dass in dieser Sache unlängst eine sogenannte Marktbeobachtung eröffnet wurde. Diese diene der Klärung, ob ein kartellrechtliches Problem bestehe oder nicht. Im konkreten Fall stelle sich die Frage, ob Parallelimporte in die Schweiz behindert wurden oder nicht. «Kassensturz» weiss, dass die Marktbeobachtung aktuell auf weitere Hörgerätehersteller ausgeweitet wurde.
WS Audiology Switzerland ihrerseits sagt, sie hätten nie wettbewerbswidrige Massnahmen gegen die Migelino GmbH ergriffen und würden solche auch nicht ergreifen.