Reto M. fiel aus allen Wolken, als er von Park&Ride Lyssach eine «letzte Mahnung» bekam. Darin fordert der Parkplatzbetreiber, M. solle ihm sofort 60 Franken bezahlen – für angebliches Falschparkieren – ansonsten werde er bei der Staatsanwaltschaft verzeigt.
Keine Frage, Reto M. parkierte dort, fünf Monate zuvor, als er im Möbelgeschäft ein Sofa aussuchen wollte. Dass er aber nicht auf dem Parkplatz des Shoppingcenters war, sondern auf einem gebührenpflichtigen Privatparkplatz, realisierte er nicht. Er habe weder entsprechende Schilder, noch einen Parkautomaten gesehen, versichert Reto M.: «Für mich war es eine offene Zufahrt.»
So wie Reto M. geht es unzähligen anderen Kunden vom Park&Ride Lyssach. Einige meldeten sich bei «Kassensturz», mehr als 330 schrieben erbost eine Google-Rezension. Das Urteil ist vernichtend: Praktisch ausnahmslos wurde die schlechteste Note 1 vergeben. Die häufigsten Vorwürfe: Trotz umgehend bezahlter Rechnungen würden Mahnungen verschickt und gleich mit Anzeige gedroht. Und: Die Einfahrt sei verwirrend, es fehlten Schranken und die Beschilderung sei schlecht.
Der «Kassensturz»-Reporter wollte dies selber vor Ort überprüfen. Sein Fazit: Die Verkehrsführung ist tatsächlich mangelhaft, sodass das schlecht sichtbare Hinweisschild auf eine Gebührenpflicht allzu leicht übersehen werden kann.
Nach wenigen Minuten Überzeit eine Rechnung
Viele der Reklamationen betreffen den Umstand, dass Parkgäste zuverlässig schon nach wenigen Minuten Überzeit vom Wachmann fotografiert und danach Rechnungen mit Geldforderungen verschickt werden. Auch das will «Kassensturz» überprüfen. Tatsächlich: Nach acht Minuten steht der Wachmann beim Auto des «Kassensturz»-Reporters. Doch anstatt ein Foto zu machen, warnt der Wachmann, er müsse eigentlich nun büssen, ausser wir bezahlen die Parkgebühr sofort.
Nachdem er bezahlt hat, gibt sich der Reporter zu erkennen. Doch der Wachmann blockt alle Fragen ab und verweist auf seinen Chef, den Betreiber. Der «Kassensturz»-Reporter erreicht diesen telefonisch. Auf die Frage, warum er nicht einfach eine Schranke am Eingang montieren lasse, sagt er, er miete den Parkplatz nur vom Eigentümer und verweist auf diesen. Grundsätzlich weist der Betreiber alle Vorwürfe zurück.
Keine Schranke, dafür eine Überwachungsanlage
Pikant: Der Eigentümer wehrte sich beim Bau des Parkplatzes gegen die Auflage einer Schranken-Anlage. So stand es in der Presse. Dafür investierte er nach eigenen Aussagen eine Million Franken in eine ausgefeilte Überwachungsanlage mit Sensoren auf jedem Parkfeld. Der Wachmann vor Ort sieht, wenn ein Auto acht Minuten steht, ohne dass die Parkgebühr bezahlt wurde. Gegenüber «Kassensturz» sagt der Eigentümer, eine Schranke wäre zu teuer und würde den Parkplatz unrentabel machen.
Auf die unübersichtliche Beschilderung angesprochen, sagt der Betreiber, die Signalisation sei klar und verweist auf zwei Parkverbotsschilder, sowie auf zwei Parkautomaten, welche «gut sichtbar» seien. Betreffend der von den Parkgästen bemängelten reihenweise verschickten Mahnungen sagt er, es könne in Ausnahmefällen vorkommen, dass Rechnungen nicht korrekt zugeordnet werden können.