In den Regalen des Schweizer Detailhandels wird Frischfleisch entweder vakuumverpackt oder in einer verschlossenen Kunststoffschale unter Schutzatmosphäre angeboten.
Was die wenigsten Konsumenten wissen: Bei der Verpackung unter Schutzatmosphäre ersetzt die Industrie die Luft durch ein Gasgemisch aus CO2 oder Stickstoff und 80 Prozent Sauerstoff.
Der Sauerstoffgehalt in der Verpackung ist viermal so hoch wie in der Luft. Diese hohe Sauerstoffkonzentration lässt das Fleisch rosig-frisch aussehen.
Gas macht Fleisch ranzig
Diese Fleischkosmetik geht aber auf Kosten der Qualität, wie Untersuchungen der Forschungsanstalt ALP in Posieux beweisen: «Bei Fleisch, das im Sauerstoff verpackt war, wird die Reifung des Fleisches gestoppt», erklärt Lebensmittelforscher Paolo Silacci.
Das heisst, die Konsumenten erhalten ein zäheres Fleisch. Und: «Die Fette oxidieren stärker. Das Fleisch schmeckt dadurch eher ranzig», so Silacci weiter.
Erstmals bestätigen damit auch Schweizer Forscher die negativen Auswirkungen der «Schutzatmosphäre» auf die Qualität des Fleisches. Kassensturz-Recherchen an der Universität Kopenhagen animierten die ALP zu eigenen Untersuchungen (Vorgangsweise: Siehe zuunterst).
Paolo Silacci äussert aber zusätzliche Bedenken: Für ihn stellt sich die Frage, wie gesund das Fleisch aus der Gasverpackung ist.
Mögliche Gesundheitsprobleme
Das Problem: Die Verpackung fördert die Oxidation der Fette im Fleisch. Und die Abbaustoffe dieser Fette stehen im Verdacht beim Menschen Entzündungen zu fördern.
«Man muss genauer erforschen, welche Fette der Sauerstoff abbaut und in welcher Menge. Man muss herausfinden, ob die Abbaustoffe dieser Fette neben dem Geschmack auch den Nährwert dieses Fleisches beeinträchtigen oder gesundheitliche Probleme verursachen», sagt ALP-Forscher Sillaci.
Farbe täuscht beim Braten
Ausserdem: Konsumenten nutzen die Farbe, um festzustellen ob Fleisch durchgegart ist. Fleisch aus der Schutzatmosphäre sieht schon bei einer Temperatur von 55 Grad gut durchgebraten aus – zu wenig! Um alle Keime abzutöten sind 70 Grad nötig.
Laut Gesetz dürfen Hersteller Sauerstoff tatsächlich ohne Einschränkung benutzen. Sie dürfen keine Lebensmittel verkaufen, die im Wert vermindert sind.
Michael Beer, Leiter Lebensmittelsicherheit beim Bundesamt für Gesundheit sagt, man werden die Studie der ALP analysieren: «Wir werden dann entscheiden, ob Handlungsbedarf besteht.»
Der Detailhandel betont, die Verpackung habe sich bezüglich Sicherheit und Handhabung bewährt. Coop hat die Qualitätsproblematik aber teilweise erkannt und verpackt noch rund 40 Prozent der Fleischprodukte in Schutzatmosphäre.
80 Prozent im Gasgemisch bei Migros
Bei Migros beträgt dieser Anteil 80 Prozent. Die Nummer eins im Schweizer Detailhandel sieht dennoch keinen Handlungsbedarf und sagt gegenüber «Kassensturz»: «Wir verkaufen das Fleisch seit über 20 Jahren in dieser Verpackung.»
Die Kunden würden diese Verpackung wünschen und kaufen, weil sie darin das Fleisch vor dem Kauf gut beurteilen könnten. Die Struktur, Fettanteil und Frische des Fleisches besser erkennbar als in Vakuum-Verpackungen.
Paolo Silacci Paolo Silacci rät Konsumenten, beim Einkauf auf die Verpackung, statt auf die Farbe des Fleisches zu achten.
«Die wirtschaftlichen Interessen nicht einher mit dem Wunsch nach gutem Fleisch. Rotes Fleisch aus der Sauerstoffatmosphäre verkauft sich zwar besser, aber das heisst nicht dass man ein besseres Fleisch hat.»
So hat die ALP gemessen
Die Forscher haben Fleisch von vier Tieren in Tranchen geschnitten und jeweils die Tranchen vom gleichen Tier in Vakuum beziehungsweise in Schutzatmosphäre (80% Sauerstoff, 20% CO2) verpackt. Die Tranchen wurden unterschiedlich lange in der Verpackung aufbewahrt (3 oder 6 Tage). Davor waren sie unterschiedlich lange im Vakuum gelagert (2, 7 und 14 Tage). Danach haben sie die Auswirkungen von Lagerdauer und Verpackungsart auf verschiedene Kriterien gemessen: Zartheit, innere Farbe nach dem Garen und Oxidation der Fette.