Bald geht sie wieder los: Die «Eiertütschete» - auch mit Eiern aus bedenklicher Herkunft. Die Hälfte, der in der Schweiz konsumierten Eier wird nämlich importiert, meistens aus Deutschland und Holland.
Forum:
Alle Schweizer Detailhändler führen Importeier im Regal. Anhand der aufgedruckten Codes lässt sich belegen, aus welchem Stall die Eier stammen (siehe graue Box). «Kassensturz» hat bei Migros, Coop, Aldi, Lidl, Denner und Spar Importeier eingekauft.
«Konsumenten werden in die Irre geführt»
Auf der Verpackung der Importeier steht der Vermerk «aus Bodenhaltung», auf den Packungen sind oft Hühner, die im Stroh picken abgebildet, viele Konsumenten greifen zu. Doch kann man das mit gutem Gewissen? Während einer mehrtätigen Reise in Begleitung des Tierfilmers Jan Peifer besuchte «Kassensturz» jene Höfe in Holland und Deutschland, die auf den Eiern angegeben sind.
Anschliessend zeigte «Kassensturz» die Bilder Hansuli Huber, Geschäftsleiter vom Schweizer Tierschutz STS. Er ist schockiert: «Diese Eier verdienen nicht das Prädikat ‹Bodenhaltung›. Die Zustände erinnern eher an die mittlerweile verbotene Käfighaltung. Die Konsumenten werden meiner Meinung nach in die Irre geführt.»
Kaum Stroh, abgezwackte Schnäbel, kein Tageslicht
Besonders stossend sind folgende Punkte:
- Massenställe: In den Ställen leben bis zu 30‘000 Tiere. Zum Vergleich: In der Schweiz halten die grössten Betriebe maximal 18‘000 Tiere. Zudem sind die Ställe in Holland oft sehr düster, es hat kaum Tageslicht. Die Tiere leben in sogenannter Volièren-Haltung. Sie leben wie in einem Bücherregal – bis unter das Dach. Dazu sagt Tierfilmer Jan Peifer: «Die Tiere werden in der Halle zusammengepfercht, können nicht raus. Man sieht in diesen Ställen klar: Es geht um den Profit. Wie es dem Tier geht, interessiert offensichtlich niemanden.»
- Kaum Stroh: Grossverteiler bilden auf den Verpackungen Hühner ab, die im Stroh scharren. In den holländischen und deutschen Legebetrieben, die «Kassensturz» besuchte, sieht es anders aus: Am Boden, wo es Einstreu haben sollte, lag festgedrückter Mist oder wenig dunkle Einstreu. Kein Huhn konnte im Stroh scharren. Scharrfläche mit Einstreu wäre allerdings für das Tierwohl sehr wichtig: Die Hühner müssen picken, scharren und staubbaden können. Dazu Hansuli Huber vom Schweizer Tierschutz: «Ich erwarte von Bodenhaltung, dass die Hühner eine lockere Einstreu haben. Diese Zustände sind eine Irreführung des Kunden.»
- Beschädigte Schnäbel: Bei den Hühnern in Holland (wie auch bei vielen braunen Hühnern in der Schweiz) werden ausserdem die meisten Schnäbel touchiert. Das heisst, die Schnabelspitze wird abgeschliffen, damit sie sich gegenseitig nicht bepicken können. Diese Gefahr besteht, weil sie auf engem Raum zusammenleben.
Noch schlimmer: Die Hühner, die «Kassensturz» in Holland filmte, hatten nicht nur touchierte, sondern abgeschnittene Schnäbel. Die Tiere können nicht mehr richtig picken. Denn: Wenn zu viel abgezwackt wird, ist das ganze Sensorium des Schnabels gestört. Hansuli Huber vom Schweizer Tierschutz kann es kaum fassen: «Diese Zusammenstutzerei der Schnäbel sind das allerschlimmste. Nicht nur der Eingriff ist schmerzhaft. Bei jedem Picken wird ein Schmerzimpuls ausgelöst, die Tiere leiden. In der Schweiz ist das glücklicherweise verboten.»
Alle Detailhändler betroffen
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- 28.03.13: Nach Ostern sind viele Legehennen überflüssig 28.03.13: Nach Ostern sind viele Legehennen überflüssig
- Kassensturz 19.04.11: Legehennen als Wegwerfware Kassensturz 19.04.11: Legehennen als Wegwerfware
«Kassensturz» hat die Detailhändler mit diesen Vorwürfen konfrontiert. Sie schreiben, bei der Import Bodenhaltung in Holland und Deutschland würden die Gesetze eingehalten. Zudem seien die Schnäbel nicht coupiert, sondern – tierfreundlicher – touchiert.
Migros-Sprecher Urs Peter Näf räumt ein, dass die Haltungsbedingungen der Legehennen in der EU verbessert werden müssten: «Die Bedingungen entsprechen der jeweiligen Landesvorschrift, respektive den EU-Vorschriften. Diese sind zum Teil tiefer als in der Schweiz. Deshalb haben wir letztes Jahr das Versprechen abgegeben, das Tierwohl bei unseren ausländischen Lieferanten bis 2020 so weit anzuheben, dass sie dem Schweizer Standard entsprechen.»
Schweizer Hennen haben es um einiges besser
Weiterführende Links:
- Broschüre STS: Verstecktes Tierleid im Importgeflügel Broschüre STS: Verstecktes Tierleid im Importgeflügel
- Gallosuisse (Vereinigung der Schweizer Eierproduzenten) Gallosuisse (Vereinigung der Schweizer Eierproduzenten)
- EDI: Verordnung über die Kennzeichnung von Lebensmitteln EDI: Verordnung über die Kennzeichnung von Lebensmitteln
- BLV: Haltungssysteme für Legehennen BLV: Haltungssysteme für Legehennen
Wie sieht die Eierproduktion in der Schweiz aus? Auch hier lebt ein Teil der Legehennen noch in Bodenhaltung. Doch diese Tiere geniessen im Gegensatz zu den Hennen in Holland Auslauf. Sie verfügen über einen Wintergarten und können dadurch in einen Aussenraum mit viel Tageslicht ausweichen. Ihnen steht mehr Fläche zur Verfügung. Ausserdem nehmen 90 Prozent der Schweizer Legebetriebe am BTS-Programm des Bundes teil (besonders tierfreundliche Stallhaltung). Tiergerechter ist aber auf jeden Fall die Freilandhaltung. In der Schweiz leben drei Viertel der Legehennen in solchen Freiland-Betrieben.
Das Schnabel-Touchieren wird in der Schweiz nur noch bei braunen Tieren praktiziert, allerdings immer weniger. Die weissen Legehennen werden gemäss Daniel Würgler von Gallosuisse (Vereinigung der Schweizer Eierproduzenten) nicht touchiert. «Viele Labels und auch Eier-Abnehmer wollen von diesem Eingriff am Schnabel ganz wegkommen, das ist allerdings ein freiwilliges Vorgehen der Branche und nicht ein Verbot», so Würgler.
Wer also mit gutem Gewissen Eier kaufen will, achtet auch in der Schweiz darauf, dass er oder sie Freilandhaltungs-Eier in den Einkaufskorb legt (siehe Tabelle).