Zum Inhalt springen

Konsum Pangasius: Billig-Fisch mit Nachgeschmack

Pangasius, ein Exot aus Südostasien, ist die erfolgreichste Entdeckung seit dem Fischstäbchen: In Vietnams Intensiv-Zuchten wachsen Millionen von Fischen auf engstem Raum heran. Experten warnen vor einer ökologischen Katastrophe. «Kassensturz» sagt, ob Bio-Zuchten ein Ausweg sind.

Mehr zum Thema

Die Schweizer essen immer mehr Fisch. 8,2 Kilogramm hat jeder Schweizer und jede Schweizerin 2007 verzehrt. Die inländische Produktion kann diesen Bedarf bei weitem nicht decken. 95 Prozent aller Speisefische sind importiert. Das Problem: Weltweit sind die Meere leergefischt, die Bestände bedroht. Eine Alternative sind Zuchtfische aus Aquakulturen. Dieser Industriezweig nimmt stetig an Bedeutung zu.

Geschmack getroffen

Der Trend zum Zuchtfisch hat den Pangasius zum Renner gemacht. Der Exot aus Südostasien – mit festem, weissem Filet und fast ohne Gräte – erobert die Schweizer Fischtheken. Mit seinem neutralen Geschmack eignet sich der Pangasius für die verschiedensten Zubereitungen. Der Pangasius entspricht dem Geschmack der Deutschschweizer Konsumenten.

Nicht nur Fischesser, auch die Produzenten schätzen den Pangasius. René Benguerel, Fisch-Berater für den WWF, weiss, wieso der Pangasius zum Massenprodukt geworden ist: «Er ist sehr einfach zu züchten, er stellt keine hohen Anforderungen an die Umweltbedingungen, zum Beispiel an die Gewässerqualität, an den Sauerstoffgehalt des Wassers. Man kann ihn in sehr hohen Haltungsdichten züchten. Er wächst sehr schnell, hat eine relativ gute Futterverwertung. Das alles führt zu sehr tiefen Produktionskosten, welche die Attraktivität auf dem Markt ausmachen.»

Weniger Fischmehl

Im Mekong-Delta im Süden von Vietnam wachsen Aber-Millionen Pangasius-Fische heran. Die Fische sind zum grossen Exportschlager Vietnams geworden. Mitten im Fluss werden die Süsswasser-Fische in offenen Käfigen oder Gehegen gehalten. Der Pangasius ist ein Allesfresser. Sein Futter eine Mischung aus Reis, Kleien und wenig Fischmehl – ein Vorteil gegenüber anderen Zuchtfischen, die viel mehr Fischmehl brauchen und damit stärker zur Überfischung der Meere beitragen.

Die Schweiz importiert immer mehr Pangasius. Seit dem Jahr 2000 hat sich die Einfuhrmenge mehr als verzehnfacht, auf fast dreieinhalb Tausend Tonnen. Das sind rund sieben Prozent der gesamten Fisch-Importe.

Einsatz von Antibiotika

Der Pangasius-Boom hat Schattenseiten: In den Käfigen drängen sich über 100 Fische in einem Kubikmeter Mekong-Wasser. Zur Vermeidung von Krankheiten setzen die Züchter Antibiotika und andere Chemikalien ein. Immer wieder haben Schweizer Kontrollstellen stark belasteten Pangasius beanstandet.

Das welsche Konsumentenmagazin «A Bon Entendeur» liess deshalb 18 Pangasius-Produkte auf Rückstände von Antibiotika untersuchen. Das überraschende Resultat: Nur in einer der 18 Proben fand das Genfer Kantonslabor Spuren von Antibiotika. Chemische Zusätze in der Pangasius-Zucht sind jedoch weiterhin ein Problem – in Vietnam. Heute schlachten die Betriebe am Mekong hundert Mal mehr Pangasius als noch vor zehn Jahren.

Tickende Zeitbombe

Das ungezügelte Wachstum der Pangasius-Zuchten hat ernste Folgen für die Umwelt. Nicht nur Antibiotika-Rückstände fliessen ungefiltert in den Mekong. «Futtermittel, Exkremente und Abfälle belasten das ganze Mekong-Flusssystem. Und das führt schlussendlich zu einer tickenden Zeitbombe. Irgendwann ist die natürliche Tragfähigkeit dieses Flusses erschöpft», warnt Benguerel.

Aus diesen Gründen suchen die Kunden von Manor in den Fischabteilungen vergeblich nach Pangasius. «Was wir bisher gesehen haben, war die intensive Zucht. Wir sind eher für eine zurückhaltendere Zucht mit weniger Fischen», sagt Michel Steiner, Direktor Fischeinkauf bei Manor.

Biologischer Pangasius

Anders die Migros: Sie bietet Pangasius aus Intensiv-Zucht an. Die Migros sagt, sie sei sich der ökologischen Probleme bewusst, könne die Rahmenbedingungen in Vietnam aber nicht beeinflussen. Migros-Mediensprecherin Monika Weibel: «Der Pangasius eignet sich für intensive Zucht. Zudem erfüllt er die strengen Kontrollen in Vietnam, unsere eigenen Zertifizierungen und Standards». Trotzdem wolle der Grossverteiler das Angebot umstellen und ab Ende Jahr tiefgefrorenen Bio-Pangasius anbieten, kündigt Weibel an.

Auch bei Coop stammt der Grossteil des Pangasius aus Intensivzuchten. Allerdings bietet Coop tiefgekühlten Pangasius bereits in Bio-Qualität an. Der deutsche Importeur Binca Seafoods züchtet diese Bio-Fische in Vietnam. Der Produktionsablauf unterliegt einer strengen Kontrolle: Futter aus biologischem Anbau, keine chemischen Zusatzstoffe, die das Wasser belasten. Im bisher einzigen Bio-Zuchtbetrieb Vietnams verteilen sich auf einen Kubikmeter Wasser nicht 100, sondern nur 10 bis 15 Fische.

Der grösste Teil des Pangasius bleibt Massenware. Ein Ende des Booms ist nicht in Sicht: Vietnam rechnet 2008 mit einer weiteren Steigerung der Produktion um 20 Prozent.

Meistgelesene Artikel