«Kassensturz» hat fünf Beispiele ausgewählt aus den letzten vier Jahren, bei denen die Parlamentarier über Interessen der Konsumenten zu entscheiden hatten:
1. Die Revision des Lebensmittel-Gesetzes
Konsumentenschützer forderten seit Jahren mehr Transparenz und bessere Deklarationen bei Lebensmitteln und in der Gastronomie. Mitten in die Gesetzes-Revision platzte die Nachricht vom Pferdefleisch-Skandal: Pferdefleisch war als Rindfleisch deklariert in Lasagnes bis in die Schweiz gelangt. Der Skandal gab der Diskussion um die Transparenz von Inhalts-Deklarationen neuen Schub: «Als Konsumenten möchten wir selbstbestimmt entscheiden, was wir kaufen», sagte Regula Rytz der Grünen.
Bis anhin musste die Herkunft des Fleisches nur deklariert werden, wenn in einem Fertigprodukt mehr als 50 Prozent drin ist. «Das ist viel zu lasch», sagen die Befürworter der Revision. Die Gegner konterte, das sei eine Überregulierung und schade dem Gewerbe.
Das Parlament nahm die umfangreiche Gesetzesrevision nach unzähligen Detailabstimmungen an, allerdings mit deutlichen Abstrichen. Die Detail-Abstimmung war bloss ein Zwischen-Erfolg: 101 Parlamentarier stimmten für präzisere Deklarationen auf Lebensmitteln: SP, Grüne und Grünliberale geschlossen, die FDP mehrheitlich. 75 Nationalräte waren gegen mehr Transparenz: die SVP und die BDP fast geschlossen, die CVP mehrheitlich.
Wie haben die einzelnen Nationalräte abgestimmt? Der «Parlaments-Monitor» von SRF gibt Auskunft:
Lebensmittelgesetzes-Revison: Welcher Nationalrat wie stimmte
2. Zwei Jahre Garantie
Das Parlament war mehrheitlich dafür: Garantie-Fristen sollen von einem auf zwei Jahre verlängert werden. In der EU gilt bei Kaufgeschäften schon lange eine zweijährige Garantie. Eine Angleichung des Rechts war überfällig.
Einzig die SVP stellte sich gegen die Konsumenten und schützte so einseitig die Interessen der Industrie: «Wenn wir Garantiefristen auf zwei Jahre verlängern, ist das eine Belastung für die Industrie. Sie werden sehen, die werden dann auch grössere Rückstellungen für künftige Garantieleistungen machen. Also werden wir auch Steuerausfälle haben», erklärte Kaufmann.
Das Geschäft wurde trotzdem mit grosser Mehrheit angenommen: Von SP bis CVP waren alle Parteien geschlossen dafür. Gegen die Konsumenten stimmten geschlossen die SVP ein paar Abweichler der CVP. Übrigens: Die Steuerausfälle blieben unbelegt.
Verlängerung der Garantie: Welcher Nationalrat wie stimmte
3. Revision des Versicherungsvertrags-Gesetzes
Versicherungsverträge sind oft zum Nachteil der Versicherten. Zehn Jahre lang brütete das Parlament über einer Gesetzes-Revision. Die Versicherungs-Branche lobbyierte massiv. Das ganze Geschäft sollte ohne weitere Diskussion zurückgewiesen werden.
Konsumentenschützerin Prisca Birrer-Heimo, SP Luzern bemängelte, die Versicherten haben kein Widerrufsrecht, mangelhafte vorvertragliche Informationspflichten, Knebelverträge von mehr als drei Jahren Versicherungsdauer seien üblich. Ausserdem: Es fehle eine Offenlegungspflicht betreffend Vergütungen, Retrozessionen an Makler und andere.
Die Bürgerlichen verhinderten praktisch geschlossen die Totalrevision. SVP, CVP, Grünliberale, BDP und FDP stimmten dagegen. 58 Nationalräte der SP und der Grünen setzten sich für konsumentenfreundlichere Verträge ein.
Versicherungsgesetz-Revision: Welcher Nationalrat wie stimmte
4. Überrissene Roaming-Tarife
Das teure Telefonieren mit Handys im Ausland bewegte Parlamentarier von links bis rechts. Die Schweizer Provider sind nicht an Höchstpreise gebunden und machen mit Roaming hunderte von Millionen Franken Umsatz – zum Nachteil der Schweizer Kunden.
Im Nationalrat herrschte Einigkeit: Hier spielt der Markt offensichtlich nicht. Darum sollten beim Roaming Preis-Obergrenzen gelten. Sogar die SVP rief nach staatlichen Regulierungen.
Doch nach zwei Jahren hatte das Parlament immer noch nichts getan für tiefere Roaming-Preise. Der Ständerat kippte das Geschäft dann mit Hilfe der SVP, der CVP und der FDP.
5. Die Kartellgesetzes-Revision
Die Schweiz ist eine Hochpreisinsel. Das Parlament hätte das mit einer Gesetzesrevision bekämpfen können. Denn Schweizer zahlen für die identischen Marken-Produkte massiv mehr als die europäischen Nachbarn.
Besonders stossend: Der Schweizer Detailhandel wird im Ausland nicht beliefert. Das revidierte Gesetz hätte diese Diskriminierung erschwert. Ein Teil der Parlamentarier argumentierte aber, die neue Regelung schränke die Wirtschaftsfreiheit der Unternehmen zu fest ein.
Wirtschaftsrechtsexperte Roger Zäch widerspricht: Erst mit staatlichen Regelungen funktioniere der freie Wettbewerb.
In der Abstimmung schützten 99 Parlamentarier ausländische Grosskonzerne zum Nachteil der Konsumenten: SVP und BDP einstimmig, die Grünen mehrheitlich. 80 Nationalräte stimmten zu: Grünliberale und mehrheitlich SP, FDP und CVP. Fazit: Die Schweiz bleibt eine Hochpreisinsel.