Ein zweitüriges Möbel aus Kiefernholz mit 4 Schubladen: So sieht er aus, der neue Schrank von Jeannette Roth. Sein Innenleben aber ist offenbar hoch komplex. Nur so lässt sich wohl erklären, warum zwei angeblich ausgebildete Schreiner für seinen Zusammenbau 5 Stunden Zeit benötigten.
Und dafür satte 981.05 Franken in Rechnung stellen: «Ich traute meinen Augen nicht, als ich die Rechnung der Schreiner erhalten habe», empört sich «Kassensturz»-Zuschauerin Jeannette Roth.
«Für den Schrank habe ich 499 Franken bezahlt. Da kann es doch nicht sein, dass allein der Zusammenbau des Möbels doppelt so viel kostet!»
Vorsicht bei Arbeitsprotokollen
Die Rechnung stammt von der Firma Matti mit Sitz in Oetwil an der Limmat und einem Nebenbüro in Rheinfelden. Die Firma bietet handwerkliche Hilfe bei Notfällen aller Art an, auch Schreinerarbeiten.
«Eigentlich wollte ich den Schrank ja selber zusammenbauen», erklärt Jeannette Roth. Beim Auspacken der Einzelteile wurde ihr aber schnell klar, dass sie nicht über das nötige Werkzeug verfügte.
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Deshalb suchte sie in den Gelben Seiten nach fachmännischer Hilfe, und nahm zu verschiedenen Schreiner-Firmen in ihrer Region Kontakt auf, darunter auch die Firma Matti.
Dieser habe ihr ohne Auftragsbestätigung und ohne Kostenvoranschlag zwei seiner Mitarbeiter vorbeigeschickt, erklärt Jeannette Roth und betont: «Die machten auf mich von Anfang an einen überforderten Eindruck. Zudem nötigten sie mich nach 5 Stunden, das Arbeitsprotokoll zu unterschreiben. Sie sagten, ohne Unterschrift würden sie meine Wohnung nicht verlassen».
Entscheid liegt beim Kunden
Laut «Kassensturz»-Rechtsexpertin Gabriela Baumgartner ist das Vorgehen der Firma Matti nicht korrekt: Eine seriöse Firma nehme keinen Auftrag an ohne der Kundin zuvor einen Kostenvoranschlag unterbreitet zu haben.
Und: «Mich erstaunt auch, dass die Handwerker nicht schnell erkannt haben, dass der Zusammenbau etwas länger dauern wird. Profis müssten das erkennen können, und sie sind verpflichtet, die Kundin zu informieren», sagt die Juristin. Die Kundin habe das Recht darüber zu entscheiden, ob sie den Auftrag unter diesen Bedingungen abbrechen will oder nicht.
Unter gar keinen Umständen dürfe aber das Arbeitsprotokoll unterschrieben werden, wenn man mit der geleisteten Arbeit nicht einverstanden ist, betont die «Kassensturz»-Rechtsexpertin.
Sie stellt aber gleichzeitig klar: «Das Arbeitsprotokoll beweist nur, dass die Handwerker 5 Stunden gearbeitet haben. Es macht aber keine Aussage darüber, ob diese 5 Stunden auch gerechtfertigt waren.»
«Kassensturz» will es genauer wissen, und lässt bei der Firma Mikado Möbel den Schrank vor laufender Kamera zusammenbauen – Jeannette Roth hatte den Schrank bei der auf Online-Möbelverkauf spezialisierten Firma gekauft.
Fazit: Die Inhaberin der Firma und ein Mitarbeiter benötigen für den Zusammenbau gerade mal knapp zwei Stunden.
«Natürlich sind wir ein eingespieltes Team, und kennen den Schrank», sagt Ruth Bertschy, Inhaberin von Mikado-Möbel. Zwei ausgebildete Schreiner sollten es aber auch in maximal 3 Stunden hinkriegen, ist sie überzeugt.
Branchenverbände bieten Vermittlung an
Werner Matti wollte auf Anfrage von «Kassensturz» zum vorliegenden Fall keine Stellung nehmen. Allerdings schrieb er wenige Tage nach der Intervention von «Kassensturz» der Kundin einen Brief, in dem er auf den gesamten Rechnungsbetrag verzichtet.
Es seien bei der Rechnung fälschlicherweise 10 anstatt 5 Stunden Arbeit des Schreiners und eines Praktikanten verrechnet worden. Und weiter heisst es im Brief: «…wobei die Arbeit des Praktikanten fälschlicherweise vollumfänglich eingerechnet wurde.»
Auch ohne dieses Entschuldigungs-Schreiben hätte Frau Roth den vollen Rechnungsbetrag nicht überweisen müssen, stellt, «Kassensturz»-Rechtsexpertin Gabriela Baumgartner klar: «Kunden in einer solchen Situation haben zwei Möglichkeiten: Sie können dem Handwerker einen Teilbetrag überweisen, einen Betrag also, den sie für angemessen halten für die geleistete Arbeit, und den Schreiner schriftlich darüber informieren.»
Dann sei es Sache des Handwerkers zu entscheiden, ob er für den restlichen Betrag vor Gericht gehen wolle. Allerdings müsste er dann dem Richter beweisen können, dass der geleistete Aufwand gerechtfertigt ist.
Die andere Möglichkeit: Frau Roth kann den Branchenverband angehen, und diesen bitten, zwischen ihr und dem Schreiner zu vermitteln. «Wenn einen Branchenverband solchen Dienst anbietet, führt das sicher zu einer guten Lösung.»