Es passiert auf einer Wanderung in Goms: Das Handy von Werner Altermatt (Name geändert) piepst – eine SMS von der Nummer 690. «Ich sah einen Text mit der Mitteilung, dass ich nächstens einen Anruf von einem Chat-Partner erhalte», erinnert sich der 66-Jährige. Es folgen weitere Nachrichten, «doch ich sagte mir, da reagierst du nicht», erzählt Werner Altermatt. Tatsächlich passiert ihm aber ein Fehler, als er eine SMS an seinen Sohn schicken will. Er wünscht diesem viel Spass bei einer Veranstaltung: «Dabei öffnete ich offenbar das falsche SMS und sandte die Antwort an 690.»
Mit «Lg, Papi» zum Sex-Chat
Das SRF-Konsumentenmagazin «Espresso» hat die SMS gesehen, die Werner Altermatt an seinen Sohn schicken wollte. Es ist eindeutig, dass diese Nachricht für niemand anders bestimmt war – unter anderem enthält sie die Grussformel «Lg, Papi». Für den Mehrwertdienst-Anbieter Smiles Solutions AG, der die Nummer 690 betreibt, reicht diese Nachricht aber, um Werner Altermatt zu einem Sex-Chat anzumelden. Nun gehen weitere SMS bei diesem ein: «In einer hiess es, warum ich mich angemeldet hätte, wenn ich mich nie melde.»
All diese SMS kosten Werner Altermatt 20 Franken. Das realisiert er, als kurze Zeit später die Nachricht von seinem Mobilfunk-Anbieter M-Budget-Mobile aufploppt, sein Prepaid-Guthaben sei aufgebraucht. Nun meldet er sich bei deren Hotline und erhält dort den Tipp, den Text «Stop All» an die entsprechende Nummer zu schicken, dann habe er Ruhe.
«Blonde Hausfrau» und «geile Studentin»
Doch Ruhe hat Werner Altermatt nicht. Im Gegenteil: Zwar kommt von der Nummer 690 nichts mehr, dafür gehen nun täglich SMS von anderen Nummern ein. Mal schreibt ihm eine blonde, schlanke Hausfrau, dann eine Balletttänzerin, eine Geschäftsfrau oder eine «geile» Studentin. Diese SMS kosten zwar nichts mehr, aber sie nerven ihn: «Ständig piepst es – und es könnte ja theoretisch auch etwas Wichtiges sein.»
Nicht unbedingt «Erwachsenen-Unterhaltung»
Die beiden Firmen Smiles Solutions AG und Vascom, welche die zahlreichen SMS an Werner Altermatt verschickt haben, schildern den Ablauf anders: Dass Werner Altermatt am 17. Juli ungefragt SMS von ihnen erhalten haben soll, streiten sie ab. Er sei erst in die Werbeliste aufgenommen worden, «nachdem er eine Message an die Nummer 690 gesendet hatte». Weiter heisst es in den schriftlichen Stellungnahmen: «Wir würden nie eine Werbe-SMS an einen Halter senden, der sich nicht vorab gemeldet hat.»
Nach Darstellung der beiden Unternehmen hat Werner Altermatt also die ganze Nachrichten-Flut ausgelöst mit der SMS, die er eigentlich an seinen Sohn hatte schicken wollen. Immerhin schreiben sie dazu: «Eventuell hätte hier der Chat-Partner gleich merken müssen, dass diese SMS nicht gerade nach ‹Erwachsenen-Unterhaltung› tönt.»
Werbe-SMS bei Sterneintrag unlauter
Die beiden Unternehmen bestätigen aber, dass Werner Altermatt, nachdem er den Betreff «Stop All» an die Nummer 690 geschickt hatte, weiterhin kostenlose Werbe-SMS erhalten habe. Dies sei bis zu sechs Monate zurück erlaubt, so die Begründung.
Für das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco ist das nicht nachvollziehbar. Dies insbesondere, weil Werner Altermatt einen Sterneintrag für seine Handy-Nummer hat: «Es ist unlauter, Werbe-SMS an Personen zu versenden, die durch einen Vermerk im Telefonverzeichnis (Sterneintrag) ausdrücklich ihren Willen kundgetan haben, keine Werbemittelungen (also auch keine Werbe-SMS) erhalten zu wollen», schreibt das Seco.
Smiles Solutions AG-Nummern nach Anbieter
50 Franken Umtriebsentschädigung
Unterdessen ist auf Werner Altermatts Handy doch noch die erhoffte Ruhe eingekehrt. Er liess sämtliche Mehrwertdienste sperren. Und von der Smiles Solutions AG erhielt er die 20 Franken zurück, die ihm belastet worden waren. Obendrauf gab es 50 Franken Umtriebsentschädigung. Unverhofft zeigte sich auch Mobilfunkanbieter M-Budget-Mobile grosszügig: 100 Franken wurden Werner Altermatts Prepaid-Guthaben gutgeschrieben.