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Multimedia TalkEasy: Telefonfirma legt Demenzkranke rein

Mit aggressiven Methoden führt TalkEasy Kunden in die Irre. Die Telefonfirma wirbt Swisscom-Kunden ab – gegen deren Willen. Häufig sind TalkEasy-Opfer alte Menschen, die sich kaum wehren können.

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Helena Berger aus Langenthal ist 77 Jahre alt und demenzkrank. Um ihre Rechnungen kümmert sich Sohn Kurt. Normalerweise ist dies rasch und problemlos erledigt. Doch vor einiger Zeit war eine Überraschung dabei. Kurt Berger entdeckte, dass seine Mutter mit einer Telefongesellschaft namens TalkEasy einen Festnetzvertrag abgeschlossen hatte.

«Brutal» überredet

Helena Berger sagt, sie sei sich dessen nicht bewusst. Sie erinnert sich noch vage an einen Telefonanruf: «Ich musste einfach sagen, ich bin mit allem einverstanden. Womit weiss ich nicht mehr.» Ihr Sohn hat einen Teil des Gesprächs ab Band gehört. Kurt Berger: «Ich war schockiert, was man da mit der Mutter gemacht hat.» Sie sei mit Brutalität bearbeitet worden. Man habe ihr vorgekaut, was sie alles sagen müsse.

Helena Berger ist nicht bewusst, dass sie zur Telefongesellschaft TalkEasy gewechselt und bei Swisscom gekündigt hat. TalkEasy möchte Swisscom Kunden abjagen. Doch viele verstehen nicht, wie ihnen geschieht. Auch Ida Häusler wurde überrumpelt. Die 70-Jährige wohnt im Pflegeheim in Guggisberg und leidet ebenfalls an Altersdemenz. Sohn Hans-Ulrich Häusler fand beim Prüfen der Post einen Brief von TalkEasy. Er kennt die Firma: Eine alte Frau könne diesen Verkäufern nicht das Wasser reichen, «so arrogant wie die am Telefon über einen hineinreden».

Ida Häusler möchte nicht von Swisscom weg. Zudem hat sie jetzt Mehrkosten: Ihre Telefonrechnung ist bei TalkEasy teurer als zuvor bei Swisscom. Deshalb schrieb Sohn Hans-Ulrich der Firma TalkEasy. Er erklärte, seine Mutter wohne im Pflegeheim und sei demenzkrank. Doch damit blitzten Häuslers bei TalkEasy ab.

Nicht urteilsfähig

Rechtsexpertin Doris Slongo prüfte die Fälle der beiden demenzkranken Damen. «Kassensturz» liegen noch weitere Fälle vor von Demenzkranken, die wider Willen einen Vertrag mit TalkEasy abgeschlossen haben. Für die Rechtsexpertin ist klar: Ein Vertrag mit einer demenzkranken Person sei ebenso ungültig wie mit einem Kind, denn für einen Vertragsabschluss brauche es Urteilsfähigkeit.

Doris Slongo analysierte den Telefonvertrag von Helena Berger, aufgenommen von TalkEasy. Doch es fehlte das Vorgespräch. Darin geben sich Mitarbeiter von TalkEasy häufig als Mitarbeiter von Swisscom aus oder sie sagen, es gehe nur um Informationsmaterial.

Ausschnitte aus dem Gespräch belegen: Talk Easy setzte Helena Berger unter Druck. Sie war unsicher und gab zu verstehen, dass sie nicht so recht drauskomme. Das Tonband belegt, sie wollte keine Anmeldung. Doch die Verkäuferin spielte den Text einfach nochmals ab. Helena Berger war überfordert und liess sich zu einer Anmeldung bei TalkEasy überreden.

Bloss «Einzelfälle»

«Was TalkEasy macht, ist nicht legal, das ist ein unfaires Verhalten», sagt Doris Slongo. Sie würden Druck ausüben und die Leute manipulieren. Slongo: «Das ist eine aggressive Verkaufsmethode, ein Verstoss gegen das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb.» Das sei strafbar.

Im «Kassensturz»-Studio bestritt TalkEasy-Chef Fredy Scheucher die Vorwürfe vehement. TalkEasy-Mitarbeiter würden keine älteren Leute bedrängen, es handle sich um «bedauerliche Einzelfälle». Seine Telefonfirma habe kein Interesse, Kunden zu gewinnen, die nicht zu TalkEasy wechseln wollten. Und: Die Verträge mit Helena Berger und Ida Häusler seien inzwischen aufgelöst worden.

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