Die 86-jährige Henriette W. war eine der ersten im Dorf, die nach dem zweiten Weltkrieg ein Telefon zu Hause hatten. All die Jahre leistete das Gerät gute Dienste. In letzter Zeit aber empfand sie das Telefon immer öfter als Störung, wegen der vielen Werbe-Anrufe.
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Darum konnte sie nicht widerstehen, als ihr eine Telefonverkäuferin versprach, die Firma «Datacom Schweiz GmbH» könne die Telefon-Belästigungen stoppen. Der Eintrag in der angeblich sehr wirkungsvollen Werbesperrliste kostet «nur» 99 Franken für 10 Jahre.
Stern-Eintrag bei Swisscom: Gratis und wirkungsvoller
Doch seit ihr Sohn sie aufklärte, dass die gängige Massnahme gegen Werbeanrufe - der Stern-Eintrag bei Swisscom - gratis gewesen wäre, will Henriette W. die Rechnungen und Mahnungen von Datacom nicht mehr bezahlen.
Ein Nachbar schrieb für die 86-Jährige Briefe an Datacom: Die Firma solle eine Aufnahme des Werbegesprächs schicken. Sie solle so beweisen, dass am Telefon überhaupt ein Vertrag zustande gekommen sei. Doch Datacom ignoriert alle Schreiben.
Datacom hiess früher Swisscall
Die Sendung «Espresso» von Radio SRF 1 berichtete bereits im vergangenen Februar über das zweifelhafte Angebot von Datacom. Damals trat die Firma unter dem Namen «Swisscall» auf.
Derselbe Geschäftsführer Patrick Dütschler rechtfertigte sich zum Vorwurf, der Eintrag in die Werbesperrliste sei nutzlos: «Mit dem Eintrag hat der Kunde die Möglichkeit, bei uns die Löschung seiner Daten bei einzelnen Unternehmungen beantragen zu lassen. Das ist dann effektiv der beste Schutz gegen unerwünschte Werbeanrufe überhaupt.»
Die Telefonverkäuferin sagte, dieser Service sei gratis. Doch nicht für Frau W.: Ohne Computer muss sie über eine teure 0900er Nummer mit Datacom Kontakt aufnehmen. So ist das Datacom-Abo für sie teuer und nutzlos.
Datacom mit Swisscom in Verbindung gebracht
Auch die 94-jährige Heidi S. aus Basel hat der Telefonverkäuferin von Datacom geglaubt. Die Frau am Telefon sei freundlich gewesen, habe etwas über Datacom, Swisscom oder Swisscall und den Sterneintrag erzählt. Und dass dann Schluss mit lästiger Werbung sei.
Frau S. erklärt sich: «Auf jeden Fall hab ich dann zugesagt. Erst dann sagte die Telefonverkäuferin, die Werbeanrufe seien sehr umständlich zu unterbinden. Die Nummern-Verzeichnisse seien bei der Swisscom, und Änderungen kosten dann Geld.»
Datacom flunkert
Der Verdacht: Datacom und Swisscall suchen in ihrem Auftritt die Nähe zu etablierten Firmen, um so die Kunden in die Irre zu führen. «Kassensturz» stösst auf etliche Beispiele.
Eine Auswahl:
- Datacom nennt das Abo für die Werbesperrliste «Sterneintrag plus». Der Begriff «Sterneintrag» ist jedoch fest mit Swisscom verbunden – Das kann Kunden täuschen.
- Das gemeinsame Logo von Datacom und Swisscall: «Kassensturz» findet auf einer Design-Seite im Internet die Bestellung für das Logo: Geschäftsführer Patrick Dütschler bestellte explizit ein Logo, welches dem von Swisscom oder Cablecom ähnlich ist.
- Irreführend sind auch die Angaben auf der Homepage: Dütschlers Firma Swisscall wirbt mit einer langjährigen Firmengeschichte seit 1997. Seltsam: Laut Handelsregister-Eintrag von Datacom wurde Dütschlers Firma erst 2004 gegründet. Nochmals fünf Jahre später nennt er sie Swisscall.
- Und schliesslich: Die behauptete Zusammenarbeit mit Swisscom-Tochter Local.ch gibt es nicht. Local.ch distanziert sich: «Gerne bestätigen wir Ihnen hiermit, dass wir mit der Firma Datacom nicht in Verbindung stehen und auch nicht in Zusammenhang gebracht werden möchten.»
«Kassensturz» will von Patrick Dütschler, dem Chef von Datacom und Swisscall wissen: Warum dreht Datacom älteren Personen ausgerechnet per Telefonwerbung ein Abo gegen Telefonwerbung an?
Was sagt er zu all den irreführenden Angaben seiner Firmen? Warum beantwortet Datacom eingeschriebene Post ihrer Kunden nicht?
Patrick Dütschler bestreitet alle Vorwürfe: Die Werbe-Anrufe von Datacom seien korrekt. Die Telefonverkäufer müssten ein Script einhalten. Eine Verwechslung mit andern Firmen sei ausgeschlossen. Die Verträge mit Frau W. und Frau S. seien gültig.
«Ja» bedeutet nicht unbedingt Zustimmung
Gabriela Baumgartner, die Rechtsexpertin «Kassensturz» und «Espresso», sagt dazu: Auch wenn die Kunden am Telefon deutlich «ja» sagen, heisst das noch lange nicht, dass damit auch ein Vertrag zustande kommt.
«Wenn ich beim Abschluss eines Vertrags getäuscht worden bin, dann kann ich sagen, den will ich nicht halten, der ist unverbindlich. Dann kann ich auch aus diesem Vertrag raus. Getäuscht werde ich eben dann, wenn eine Firma schreibt, es bestehe eine Zusammenarbeit mit einer etablierten Firma oder es gibt Produkte, die ganz ähnlich zu etablierten Produkten sind, aber es ist nicht das Gleiche».
Zusammengefasst: Wenn sich eine Firma so präsentiert und so verhält, und alles drauf anlegt um zu täuschen, dann ist ein solcher Vertrag sicherlich anfechtbar.
Heidi S. sieht sich von Datacom getäuscht und will auf jeden Fall vom Vertrag zurücktreten. «Das ist ein absoluter Bschiss. Denen sollte man das Handwerk legen können. Besonders die älteren Leute kommen nicht mehr so draus. Sie hören nicht mehr so gut und sind im Glauben, man habe ihnen etwas richtig Gutes angeboten. Und das ist einfach nicht wahr»