Der Fall: Plötzlich auf dem Operationstisch
Angefangen hat der Albtraum von Bruno S. mit Zahnschmerzen. Der 36-jährige Konstrukteur geht zur Ärztin. Diese stellt fest: In seinem Kiefer wuchert eine Zyste. Sie schickt den Patienten zu einer Kieferchirurgin. Diese will die Zyste herausoperieren. Bruno S. liegt betäubt auf dem Stuhl.
Doch mitten im Eingriff sieht die Chirurgin: Die Zyste ist grösser, als befürchtet. Sie bricht die Operation ab. Bruno S. kommt ins Spital. Dort soll die Zyste entfernt und das Loch im Kiefer mit Knochen aus dem Becken gefüllt werden. Bruno S. wird nervös. «Als ich zur Ärztin ging, dachte ich, am nächsten Tag sei ich wieder im Büro. Und dann so etwas». Doch der wahre Albtraum hat noch nicht einmal begonnen.
Nach der letzten Nachkontrolle bekommt Bruno S. Post von der Sanagate, seiner Krankenkasse. «Man schrieb, die Beckenknochentransplantation sei unnötig gewesen. Es würden nur die Kosten für die ambulante Behandlung übernommen». Will heissen: Bruno S. soll über 10'000 Franken aus der eigenen Tasche bezahlen. Der junge Familienvater steht Existenzängste aus. «Meine Frau wird in wenigen Wochen unser zweites Kind zur Welt bringen. Dieses Geld brauchen wir dringend für anderes.»
Der «Espresso»-Beitrag dazu:
Bruno S. und seine Ärztin wehren sich. Ohne Erfolg. Die Kasse lässt sich nicht umstimmen. Die Operation hätte auch ambulant durchgeführt werden können, argumentiert die Sanagate. Zudem habe Bruno S. für diese Behandlung keine schriftliche Kostengutsprache bekommen. Somit bestehe keine Zahlungspflicht.
Das steht im Gesetz: Bezahlt wird nur, was wirtschaftlich ist
Laut Krankenversicherungsgesetz muss eine Krankenkasse zahlen, wenn eine Behandlung drei Voraussetzungen erfüllt: Sie muss wirksam sein, zweckmässig und wirtschaftlich.
Wirtschaftlich bedeutet, dass eine Krankenkasse bei verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten nur die billigste Variante bezahlen muss. Selbst dann, wenn das für den Patienten riskanter ist, er mehr Schmerzen aushalten muss und länger am Arbeitsplatz fehlt.
Die Lösung: Die Ärztin zahlt. «Freiwillig»
Bruno S. versteht die Welt nicht mehr. Er hatte seine Krankenkasse angerufen und über die anstehende Operation informiert. Niemand habe ihm gesagt, die Behandlung würde nicht bezahlt. Auch die Ärztin nicht.
Es handle sich um eine Standardbehandlung, habe diese erklärt. So etwas würde «normalerweise» bezahlt. Eine heikle Aussage: In dieser Situation hätte die Kieferchirurgin ihren Patienten auffordern sollen, bei der Krankenkasse eine schriftliche Kostengutsprache einzuholen. Ist ein Arzt nicht sicher, ob die Kasse zahlt, muss er seinen Patienten darüber informieren. Tut er das nicht, kann er schadenersatzpflichtig werden.
Hilfreiche Links:
Zu einer rechtlichen Auseinandersetzung zwischen Bruno S. und seiner Kieferchirurgin kommt es glücklicherweise nicht. Nachdem «Espresso» über den Fall berichtet hat, meldet sich überraschend die Kieferchirurgin bei Bruno S. Sie teilt ihm mit, sie werde die Spitalrechnung bezahlen.
Für Bruno S. eine schöne Bescherung, so kurz vor Weihnachten. Das Familienbudget ist wieder im Gleichgewicht. Doch Bruno S. hat noch einen Grund, sich zu freuen. Wenige Tage nach der frohen Botschaft Nachricht hat seine Frau einem gesunden Jungen das Leben geschenkt.