Passiert ist die Geschichte im Mai 2014: Im SBB Industriewerk in Bellinzona liess die Betriebsleitung an allen Ausgängen Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes aufstellen und sämtlichen der rund 400 Angestellten Handgepäck, teilweise sogar Jacken- und Hosentaschen durchsuchen.
Für die betroffenen Angestellten sei dies eine «unmögliche» Situation gewesen, schildert Pietro Gianolli von der Gewerkschaft des Bahnpersonals: «Vor einigen dieser Ausgänge befanden sich Restaurants und Bars. Die Gäste konnten zuschauen, wie sich die Arbeiter durchsuchen lassen mussten».
SBB-Kontrolle in Bellinzona ging zu weit
Gegen diese Kontrolle protestierten neben der Gewerkschaft des Bahnpersonals, auch Transfair und Unia bei der Betriebsleitung. Doch die Antwort sei nichtssagend ausgefallen. Solche Kontrollen seien legitim, habe sich die SBB erklärt. Man habe damit lediglich die Mitarbeitenden dafür «sensibilisieren» wollen, dass es verboten sei, Werkmaterialien zu stehlen.
Privatsphäre am Arbeitsplatz
Mit dieser Antwort wollten sich die Gewerkschaften nicht zufrieden geben und reichten Klage vor Bundesverwaltungsgericht ein. Der Entscheid liegt jetzt vor und ist eindeutig:
Die nicht angekündigte Kontrolle, wie sie die SBB in Bellinzona durchgeführt habe, sei «unverhältnismässig», urteilt das Gericht. Man hätte die Mitarbeitenden mit «geeigneteren Mitteln» sensibilisieren können, zum Beispiel mit einer Informationskampagne. Zudem sie es persönlichkeitsverletzend, wenn man seine Angestellten in aller Öffentlichkeit durchsuchen lasse.
Kontrollen müssen sich auf das Notwendigste beschränken
Das Bundesverwaltungsgericht ruft mit diesem Urteil die gesetzlichen Regelungen des Obligationenrechts in Erinnerung (Details siehe Linkbox): Arbeitgeber dürfen ihre Angestellten kontrollieren. Allerdings brauchen sie dazu einen sachlichen Grund und die Kontrollen müssen verhältnismässig sein.
Wenn ein Betrieb beispielsweise vermehrt Diebstähle feststellt, dürfen bei den Angstellten stichprobenweise Kontrollen durchgeführt werden. Diese Kontrollen müssen sich aber auf das Notwendigste beschränken. In Bellinzona war laut Bundesverwaltungsgericht gerade das nicht der Fall.
Gegenüber «Espresso» hat die SBB erklärt, sie werden das Urteil «vollumfänglich» akzeptieren.