Der Fall: Der Scherenschnitt klebt an fremdem Schaufenster
Ursula F. war konsterniert, als sie eines Tages an einem Schaufenster eines Souvenir-Shops vorbeikam. Auf dem Schaufenster klebte als Dekoration ein schöner Scherenschnitt. Ein Scherenschnitt, den Ursula F. hergestellt hatte.
Die Künstlerin betreibt eine Website, auf der sie eine Auswahl ihrer Werke zeigt. Offenbar hat der Inhaber des Souvenir-Shops sich dort bedient und das Motiv auf Folie drucken lassen. Natürlich ohne die Künstlerin zu fragen.
Das sagt das Gesetz: Kunstwerke sind urheberrechtlicht geschützt
Kunstwerke wie Ursula F.‘s Scherenschnitt sind durch das Urheberrecht geschützt. Das bedeutet: Nur der jeweilige Künstler hat das Recht zu bestimmen, wie und durch wen das Werk verwendet, verbreitet, bearbeitet oder kopiert wird.
Der Link zum Gesetz
Damit ein Kunstwerk unter das Urheberrecht fällt und damit geschützt ist, muss es individuell gestaltet sein. Geschützt sind deshalb alle Arten von Kunstwerken, musikalische Kompositionen, literarische oder wissenschaftliche Texte, Übersetzungen, Bearbeitungen, tänzerische Choreographien, Theaterstücke oder auch Computerprogramme.
Wer nun ein bestehendes Werk veröffentlichen, vervielfältigen oder für andere Zwecke nutzen möchte, braucht dazu die Einwilligung des Urhebers. Ärger kann sich deshalb einhandeln, wer arglos fremde Werke nutzt und erwischt wird. In diesem Fall droht eine nachträgliche Entschädigung für die Nutzung und eine saftige Busse. Was viele nicht wissen: Eine Urheberrechtsverletzung ist strafbar.
Die Lösung: Der «Dieb» zahlt – freiwillig!
«Espresso» berichtet über den Fall und erklärt Ursula F. die Rechtslage. Die Künstlerin konfrontiert den Boutique-Inhaber. Doch der streitet alles ab. Die Künstlerin geht zur Polizei, sieht dann aber doch von einer Anzeige ab. Wirkung hatte dies offenbar dennoch.
Kurze Zeit später klingelt ihr Telefon. Am Apparat ist der Inhaber der Boutique. Er möchte den Scherenschnitt noch für ein zweites Schaufenster verwenden und bietet der Künstlerin eine Nutzungsentschädigung von 600 Franken an.
Ursula F. ist überglücklich über den unerwarteten Ausgang der unerfreulichen Geschichte. Im Januar schreibt sie «Espresso»: «Vielen Dank! Die 600 Franken habe ich Ihrer Sendung zu verdanken».