In wenigen Wochen hat Lukas Weber aus Bern den letzten Arbeitstag. Wenn es nach seinem Chef gehen soll, dann dürften aber diese Wochen noch einmal richtig anstrengend werden. Lukas Weber hat nämlich Minusstunden auf seiner Zeitabrechnung. Fast eine Woche.
Der Angestellte soll die Minusstunden nacharbeiten
«Entstanden sind diese Minusstunden, weil ich 60 Prozent arbeite und man mir als ich krank war, weniger Stunden gutgeschrieben hat als ich an jenen Tagen gearbeitet hätte», schreibt er dem Konsumentenmagazin «Espresso» von Radio SRF 1. Lukas Weber arbeitet vier volle Tage pro Woche. Bei Krankheit seien ihm aber pro Tag nur rund sechs Stunden gutgeschrieben worden. «Muss ich diese Stunden nun tatsächlich nacharbeiten?», möchte Lukas Weber wissen.
Seine Frage dürfte viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer interessieren, die in Grossbetrieben mit schematischen Zeiterfassungsmodellen arbeiten. Viele solcher Zeiterfassungssysteme gehen bei Teilzeitangestellten von einem täglichen Stundensoll aus – egal, die der betreffende Angestellte tatsächlich arbeitet. Bei Krankheit wird im Zeiterfassungssystem denn auch dieses Stundensoll gutgeschrieben. Diese Berechnung ist kein Problem bei Teilzeitangestellten, die jeden Tag genau gleich viele Stunden arbeiten.
Teilzeitangestellte sind benachteiligt
Wer jedoch wie Lukas Weber bei einem 60 Prozent Pensum nicht jeden Tag arbeitet, bekommt im Krankheitsfall an einem Arbeitstag nicht die volle, sondern eine seinem Pensum angepasste Zeit gutgeschrieben. Statt acht Stunden also nur sechs.
Arbeitgeber verteidigen dieses System. Zwar könne es in Einzelfällen dazu führen, dass ein Angestellter wegen Krankheitstagen Minusstunden generiere. Diese würden aber im Verlaufe eines Jahres ausgeglichen, weil dem kranken Angestellten diese Stunden auch an den freien Tagen gutgeschrieben werde.
Arbeitsrechtsspezialisten sind anderer Meinung. Zum einen verstossen solche vereinfachenden Zeiterfassungssysteme dem Arbeitsgesetz. Dieses verlangt, dass die Arbeitszeit und auch die Absenzen korrekt erfasst werden. Zum anderen schreibt das Obligationenrecht vor, dass Angestellte bei Krankheit Anspruch auf den vollen – und nicht auf einen reduzierten – Lohn haben. Daraus folgt, dass einem Angestellten im Krankheitsfall die Zeit so gutgeschrieben werden muss, wie wenn er gearbeitet hätte. Krankheit, Unfall oder Ferien dürfen nicht zu Minusstunden führen.
Für Lukas Weber heisst das: Er muss seine Minusstunden nicht nacharbeiten. Sollte ihm der Chef die Minusstunden vom Lohn abziehen, kann sich Weber ans Arbeitsgericht wenden und seinen Lohn einfordern. Das Verfahren ist bis zu einem Streitwert von 30'000 Franken kostenlos.