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Rechtsfrage: Was bedeutet «50 Prozent arbeitsunfähig?»
Aus Espresso vom 04.08.2016. Bild: Colourbox
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Arbeitsrecht Was bedeutet «50 Prozent arbeitsunfähig?»

Eine Angestellte arbeitet normalerweise Montag bis Donnerstag. Jetzt ist sie vom Arzt zu 50 Prozent krank geschrieben. «Espresso» erklärt, was ein solches Arztzeugnis bedeutet und wie viele Stunden krank geschriebene Angestellte arbeiten dürfen.

Fast überall müssen krankgeschriebene Angestellte dem Arbeitgeber ein Arztzeugnis bringen. Eine «Espresso»-Hörerin aus Zürich ist zur Zeit zu 50 Prozent arbeitsunfähig. So steht es im Arztzeugnis.

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Die Frau arbeitet zu 80 Prozent an vier Tagen pro Woche. Unklar ist jetzt, was die Arbeitsunfähigkeit im Alltag bedeutet. Die Angestellte geht davon aus, dass sie an ihren Arbeitstagen nur die Hälfte der vorgesehenen Arbeitszeit leisten muss, also vier Stunden pro Tag.

Der Chef ist anderer Meinung. «Er sagt, ich müsse die Hälfte der wöchentlichen Arbeitszeit leisten, also jeden Tag kommen», schreibt die Frau und möchte vom Konsumentenmagazin «Espresso» auf Radio SRF 1 wissen, wer denn nun Recht hat.

Gemeint ist immer ein volles Pensum

Ist auf einem Arztzeugnis die Arbeitsunfähigkeit lediglich mit einer Prozentzahl angegeben, so bezieht sich diese auf ein volles, also auf ein 100 Prozent-Pensum. Im Beispiel unserer «Espresso»-Hörerin heisst das: Sie ist 50 Prozent eines ganzen Pensums arbeitsunfähig und muss täglich vier oder an vier Tagen fünf Stunden arbeiten.

Grundsätzlich muss sie ihrem Arbeitgeber nur an den Tagen zur Verfügung stehen, an denen sie sonst auch arbeitet. Will der Arbeitgeber seine Angestellte auch an ihrem freien Tag einsetzen, muss sie damit einverstanden sein.

Fragen im Zusammenhang mit der Auslegung von Arztzeugnissen haben in den letzten Jahren zugenommen. Das hat damit zu tun, dass Ärzte ihre berufstätigen Patienten immer seltener vollständig arbeitsunfähig schreiben.

Das bedeuten Arztzeugnisse

Weil Arztzeugnisse gesetzlich nicht geregelt sind, hat die juristische Praxis folgende Regeln entwickelt:

  • Steht auf einem Arztzeugnis nicht ausdrücklich etwas anderes, so geht man beim Prozentsatz der Arbeitsunfähigkeit von einem vollen Pensum aus.
  • Bei einer Arbeitsunfähigkeit ist immer die Arbeitszeit gemeint, nicht die Leistung. 50 Prozent arbeitsunfähig bedeutet, dass der Angestellte während der Hälfte der vereinbarten Arbeitszeit grundsätzlich die volle Leistung erbringen kann.
  • Möglich ist aber, einen Angestellten den ganzen Tag mit einer verminderten Leistungsfähigkeit arbeiten zu lassen. In diesem Fall muss der Arzt das Arbeitszeugnis entsprechend präzisieren.

Bei bestimmten Krankheiten oder nach Unfällen ist es denkbar, dass ein Angestellter arbeiten kann, aber nicht auf seinem Beruf. Eine Pflegefachfrau mit einem gebrochenen Knöchel kann nicht in ihrem gewohnten Einsatzgebiet arbeiten. Sie kann aber möglicherweise administrative Aufgaben erledigen.

Die Diagnose geht den Chef nichts an

Besteht eine so genannte Restarbeitsfähigkeit, so muss der Arzt im Zeugnis angeben, in welcher zeitlichen Belastung ein Patient welche Arten von Aufgaben erledigen kann. Arbeitgeber und Versicherungen dürfen von Ärzten solche detaillierten Zeugnisse verlangen und Angestellte sind verpflichtet, in solchen Fällen vorübergehend andere Aufgaben zu erledigen.

Unabhängig vom Grad und Umfang einer Arbeitsunfähigkeit: Ein Arztzeugnis darf nie mehr als diese Informationen enthalten. Woran ein Angestellter leidet, fällt unter das Arztgeheimnis und geht einen Chef nichts an.

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