Judith Schabl traute ihren Ohren nicht: Das Kleid sei weg, sagte man ihr in der chemisch Reinigung. Man habe es verschenkt. Dem Roten Kreuz.
Brisant: Es handelt sich nicht um irgendein Kleid, sondern um Judith Schabls Hochzeitskleid. Nach der Heirat hatte Judith Schabl das Kleid in die Reinigung gebracht – und sich mit dem Abholen zugegebenermassen etwas viel Zeit gelassen. Mehr als ein Jahr.
Als sie es schliesslich abholen wollte, der Schock. Man habe kürzlich ausgemistet und das Kleid zusammen mit andern nicht abgeholten Stücken dem Roten Kreuz gespendet. «Ist das überhaupt erlaubt?», ärgert sich Judith Schabl und möchte vom Konsumentenmagazin «Espresso» von Radio SRF 1 wissen: «Habe ich ein Recht auf Schadenersatz?»
Die Reinigung darf nicht über fremdes Eigentum verfügen
Eine Reinigung darf nicht abgeholte Stücke nicht einfach verschenken, soviel ist klar. Nur der rechtliche Eigentümer einer Sache darf über diese verfügen: sie verkaufen, verschenken oder vernichten. Die Reinigung ist aber nicht Eigentümerin der ihr anvertrauten Kleidungsstücke und sie wird auch nicht dadurch verfügungsberechtigt, wenn jemand die Sachen nicht abholt.
Geschäftsbedingungen und Anlaufstelle
Richtigerweise müsste die chemische Reinigung die Stücke fünf Jahre aufbewahren und dann dem Fundbüro übergeben. Für die Betriebe ist das mit Aufwand verbunden, der sich kaum rechtfertigen lässt, wenn es um ein Paar Socken oder um eine ausgebeulte Arbeitshose geht. Aber bei teureren oder emotional wertvolleren Stücken wie einem Hochzeitskleid wäre es angebracht, sich korrekt zu verhalten.
Zwar steht in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Verbandes Textilpflege Schweiz (VTS), gereinigte Artikel müssten innerhalb von sechs Monaten abgeholt werden. Diese Regel kommt aber nur dann zur Geltung, wenn die Reinigung ihre Kunden ausdrücklich darauf hinweist. Bei Judith Schabl war das nicht der Fall. Und: In einem Rechtsstreit müsste die Reinigung beweisen, dass sie die Kundin auf diese Regelung hingewiesen hat.
Die Kundin hat Anspruch auf Schadenersatz, aber ...
Ein Rechtsstreit um das verschwundene Hochzeitskleid wird kaum entfachen. Zu gering ist der Streitwert. Judith Schabl hat das Kleid für 800 Franken gekauft. Die Reinigung muss ihr als Schadenersatz jedoch nur den Zeitwert ersetzen. Auch wenn Schabl das Kleid heute noch als Abendkleid tragen könnte, es dürfte kaum einen höheren Wert als 100 bis 200 Franken haben.
Judith Schabl will sich deshalb noch einmal mit der Reinigung in Verbindung setzen und eine gütliche Einigung erzielen. Vielleicht eine Entschädigung in Form von Reinigungsgutscheinen.