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Intrum Justitia: Alptraum ohne Ende
Aus Espresso vom 22.10.2014. Bild: Colourbox
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 17 Sekunden.

Services Intrum Justitia: So wehren Sie sich!

Eine «Espresso»-Hörerin wird vom Inkassobüro Intrum Justitia zu Unrecht betrieben. Doch nicht einmal durch ein Gerichtsurteil lässt sich das Inkassobüro stoppen. Betroffene fühlen sich solchen Praktiken ausgeliefert. Lesen Sie hier, was Sie gegen Mahnungen und Betreibungen tun können.

Als Anna Müller (Name geändert) den Brief aus dem Umschlag zog, verschlug es ihr fast die Sprache. «Bedeutet Frühling auch für Sie Ordnung zu schaffen, sich von Altlasten zu trennen und Unerledigtes anzugehen? Gut! Dann profitieren Sie von unserem Angebot und werden Sie diese Schuld los!» Absender des Schreibens ist das Inkassobüro Intrum Justitia. Es soll um einen auf Anna Müller ausgestellten Verlustschein gehen. Sie habe beim Versandhauses Ackermann Schulden von 900 Franken wegen unbezahlter Rechnungen.

Die Betriebene weiss nichts von einer Betreibung

Bloss: Anna Müller hat nie etwas bei Ackermann bestellt. Und von einer Betreibung oder einem Verlustschein weiss sie schon gar nichts. Dennoch leitet Intrum die Betreibung ein. Erst vor Gericht stellt sich heraus, dass der Verlustschein ungültig ist. Das Betreibungsamt hat einen Fehler gemacht. Möglicherweise aufgrund einer Verwechslung.

Ende gut, alles gut? Nein. Drei Monate nach dem Gerichtsurteil bekommt Anna Müller wieder Post von der Intrum. Wieder eine Mahnung mit Betreibungsandrohung, wieder wegen der gleichen Geschichte.

Intrum Justitia verspricht eine Entschuldigung

«Espresso» konfrontiert Intrum mit dem Urteil des Bezirksgerichts Rheinfelden, in dem der Verlustschein als nichtig erklärt wurde. Man habe dieses Urteil nicht gekannt, schreibt Intrum Mediensprecherin Jaël Fuchs, den Fall aber nach «Treu und Glauben» bearbeitet. Intrum will nun über die Bücher und sich bei Anna Müller für die Umtriebe entschuldigen. Der Rückzug der Betreibung sei bereits eingeleitet worden.

Mahnung und Betreibung – was tun?

Was Anna Müller erlebt hat, ist für viele Konsumentinnen und Konsumenten ein Alptraum. Und wirft Fragen auf.

  1. Was tun, wenn man mit einer Rechnung oder Mahnung nicht einverstanden ist? Sofort reklamieren. Am besten schriftlich. Fordern Sie Belege für die angebliche Forderung: Die Kopie einer Bestellung oder die Aufnahme eines Telefongesprächs. Begründen Sie, weshalb Sie mit einer Forderung nicht einverstanden sind. Niemals Rechnungen oder Mahnungen einfach zurückschicken oder wegwerfen.
  2. Wie oft muss ein Inkassobüro mahnen, bis es betreiben darf? Das Mahnwesen ist in der Schweiz gesetzlich nicht geregelt. Grundsätzlich muss überhaupt nicht gemahnt werden. Eine Betreibung ist jederzeit möglich.
  3. Was ist ein Zahlungsbefehl? Betreibt ein Gläubiger einen Schuldner, so stellt das Betreibungsamt einen Zahlungsbefehl aus und stellt ihm dem Schuldner oder einer in seinem Haushalt lebenden Person zu. Der Schuldner wird aufgefordert, den geforderten Betrag beim Betreibungsamt einzuzahlen.
  4. Kann man sich gegen eine Betreibung wehren? Gegen einen Zahlungsbefehl kann man innerhalb von zehn Tagen Recht vorschlagen. Damit wird die Forderung bestritten. Rechtsvorschlag kann man mündlich oder schriftlich erheben. Aus Beweisgründen ist schriftlich besser. Mit Brief ans Betreibungsamt oder bei der Zustellung direkt auf dem Zahlungsbefehl («Ich erhebe Rechtsvorschlag»).
  5. Was passiert nach dem Rechtsvorschlag? Mit dem Rechtsvorschlag wird das Verfahren unterbrochen. Will es der Gläubiger weiter ziehen, muss er vor Gericht die Aufhebung des Rechtsvorschlags verlangen. Dazu muss er aber Beweise vorlegen können, dass wirklich einen Schuld besteht. Einen Vertrag zum Beispiel oder eine Bestellung. Kann er das nicht, wird die Klage abgewiesen und das Verfahren eingestellt. Hat er jedoch Beweise, kann der Gläubiger die Fortsetzung der Betreibung verlangen und den Schuldner pfänden lassen.
  6. Was ist ein Verlustschein? Kann bei einem Schuldner nach einer erfolgreichen Betreibung nichts gepfändet werden, so stellt das Betreibungsamt einen Verlustschein aus. Der Verlustschein verjährt nach 20 Jahren. Während dieser Zeit kann der Schuldner aber jederzeit wieder betrieben und gepfändet werden.
  7. Was kann man gegen eine ungerechtfertigte Betreibung unternehmen? Zieht der Gläubiger die Betreibung zurück, so erscheint sie nicht mehr auf einem Auszug aus dem Register. Es gibt Gläubiger, die dafür Geld verlangen. Wer nicht gerade auf Wohnungssuche und deshalb dringend auf einen «sauberen» Auszug angewiesen ist, kann auch die Zeit für sich arbeiten lassen. Auszüge aus dem Betreibungsregister enthalten immer nur Betreibungen der letzten fünf Jahre. Was älter ist, sieht niemand mehr. Zieht der Gläubiger eine zu unrecht eingereichte Betreibung nicht zurück, kann man die Löschung gerichtlich durchsetzen. Das ist mit Kosten verbunden. Hier lohnt sich eine rechtliche Beratung.

Das Betreibungsverfahren ist in der Schweiz im Gesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) geregelt. Es ist ein sehr formalistisches, für Laien nur schwer verständliches Gesetz.

Wer mit unberechtigten Mahnungen oder Betreibungen konfrontiert ist, sollte sich beraten lassen. Und zwar möglichst früh. Adressen von Schuldenberatungsstellen finden Sie in der Linkbox.

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