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Studiogespräch mit Christoph Zenger
Aus Kassensturz vom 09.05.2017.
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 11 Sekunden.

Services Übergangspflege: Die Lücke im System

Müssen Patienten nach dem Spitalaufenthalt vorübergehend in eine Pflegeeinrichtung, wird es teuer. Einen grossen Teil der Kosten müssen sie selbst bezahlen. Im «Kassensturz»-Studio kritisiert Gesundheitsrechts-Experte Christoph Zenger diese Lücke und erklärt: «Das war klarer politischer Wille».

Und plötzlich steht man nach einem Unfall vor hohen Kosten, die man selber übernehmen soll. Genau das ist Barbara Forster passiert. Im «Kassensturz»-Beitrag erzählt sie, dass ihr zwischen Spital- und Reha-Aufenthalt eine sogenannte Übergangspflege verordnet wurde. Rund 5000 Franken soll sie dafür nun selbst berappen.

Patienten in der Kostenfalle

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Landen Patienten auf dem Weg zur Genesung vorübergehend im Pflegeheim, wird es für sie teuer. Mehr

Wie kann so etwas sein? Im «Kassensturz»-Studio erklärt Christoph Zenger, Professor für Gesundheitsrecht an der Universität Bern, die Ursachen dieser Kostenfalle für Patienten.

Herr Zenger, das Heim für die Übergangspflege sagt, man habe Frau Forster korrekt informiert. Das Spital Bülach sagt gar, man habe keine Übergangspflege verordnet, das entsprechende Anmeldeformular werde jeweils routinemässig beigelegt. Was halten Sie von dieser Argumentation?

Diese Argumentation ist ein Witz und unprofessionell. Die Übergangspflege und das sogenannte Ferienbett sind zwei ganz verschiedene Dinge.

Der behandelnde Arzt sprach eine Verordnung mit Kostenfolgen für die Patientin aus. Ist das Spital verpflichtet, darauf hinzuweisen?

Das Bundesgericht hat so entschieden. In der Schweiz geht man davon aus, dass sämtliche Leistungen, die vom Arzt verordnet werden, von der Krankenkasse übernommen werden. Ist dem nicht so, muss der Arzt oder das Spital die Patienten informieren oder zumindest darauf hinweisen, dass sie bei der Krankenkasse nachfragen müssen.

Frau Forster in unserem Beitrag sagt, man habe sie nicht informiert. Falls es so war: Was sind die Folgen?

Wäre sie aufgeklärt worden, hätte sie eine andere Lösung suchen können. Aber so hatte sie keine Möglichkeit. Man kann sagen, ihre Ausgaben sind ein Schaden; die Patientin könnte diesen mit einer Schadenersatzklage gegen das Spital geltend machen. Das Spital behauptet allerdings das Gegenteil.

Klagen wäre also mühsam. Für die 5000 Franken, um die es hier geht, ist das Prozessrisiko vermutlich zu gross. Es wäre wohl anständiger, wenn das Spital 2000 Franken übernehmen würde.

Frau Forster müsste ihren Schaden beweisen, respektive das Spital müsste beweisen, dass es die Patientin informiert hat. Das ist schwierig, und so ist das Prozessrisiko tatsächlich zu hoch. Ohne Rechtsschutzversicherung macht das keinen Sinn. Würde das Spital einen Teil bezahlen, würde Frau Forster eine allfällige Klage vermutlich zurückziehen.

Hätte die Patientin einfach länger im Spital bleiben können, um Kosten zu sparen?

Nein, das kann sie nicht. Sobald das Spital die Akut-Behandlung abgeschlossen hat, kann es die Patientin entlassen. Aber das Spital muss eine Übergangslösung für die Patientin finden. Solange es keine hat, muss das Spital die Patientin behalten.

Die Übergangspflege wird vom Arzt verordnet, bezahlen muss der Patient. Im Gesetz steht aber, dass zwei Wochen dieser Übergangspflege übernommen werden müssen.

In einem herkömmlichen Pflegeheim übernimmt die Krankenkasse einen Teil der Pflegekosten und bei der Übergangspflege die vollen Pflegekosten. Aber – und das ist der Haken – die Versicherung übernimmt nur die Pflegekosten und nicht die Hotelleriekosten. Das muss sie nicht, das steht so im Gesetz.

Nicht gerade patientenfreundlich. Wie konnte so etwas passieren?

Ursprung ist die Umstellung der Spitalfinanzierung. Bis 2012 erhielten die Spitäler Tagespauschalen. Da behielten sie die Patienten noch so gerne etwas länger. Dann kam die Fallpauschale, die Abrechnung mit Fixpreis pro Fall. Dadurch sind die Spitäler nun interessiert, Patienten bald loszuwerden, und es gibt diese Lücke.

Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier haben uns scheinbar diese Lücke beschehrt. Ist da ein Fehler passiert? Haben sie es nicht gesehen?

Sie haben es durchaus gesehen. Doch bei der Umstellung der Spitalfinanzierung gab es zwei Lager. Die einen wollten sämtliche Kosten der Übergangspflege auf den Patienten abwälzen, die anderen wollten volle Kostenerstattung. So traf man sich in der Mitte: Übergangspflege ohne Hotellerie. Das war ein klarer politischer Wille.

Und jetzt?

Es gibt immer wieder Bemühungen, dies zu ändern, zum Beispiel von CVP-Nationalrätin Ruth Humbel. Sie unterlag knapp mit einer Stimme und ich empfehle ihr, einen erneuten Vorstoss zu starten. Denn es ist eine unschöne Sache.

Was sollte geändert werden?

Konkret sollte die Aufenthaltsdauer ausgedehnt und die Hotelerie eingeschlossen werden. Es muss konkretisiert werden, dass die Übergangszeit zwischen Akut-Spital und Reha eingeschlossen wird.

Allerdings ist das alles eine «Pflästerlipolitik». Eine langfristige Lösung wäre natürlich, diese Silo-Politik, wie wir sie im Moment haben, abzuschaffen. Es sollte nicht mehr so sein, dass der Arzt, das Spital und die Reha separat vergütet werden. Die ganze Behandlungskette sollte pauschal abgerechnet werden. So entstehen keine Lücken und dieses System wäre auch viel kostengünstiger.

Das Interview führte Ueli Schmezer.

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