Karl Schefer ist ein Pionier des biologischen Weinbaus. Der Gründer und Inhaber des Weinversandhändlers Delinat hat schon in den 80er-Jahren strenge Anforderungen für seine Lieferanten in ganz Europa formuliert. Schefer kommt zu Ohren, der Vorstand von Bio Suisse sei gegen die Trinkwasserinitiative, er fragt er nach, ob das ein Scherz sei. Als er den Antwortbrief des Vorstandes in Händen hält, traut er seinen Augen nicht. Der Vorstand sagt Nein zur Trinkwasserinitiative, er befürchtet bei Annahme der Initiative eine massive Zunahme von Biobauern.
Ich finde diese Aussage einen Skandal. Das ist ein Verrat an der Bio-Idee von Bio.
Eine Zunahme von Biobetrieben soll eine Gefahr sein? Der Delinat-Chef: «Ich finde diese Aussage einen Skandal. Ich kann das überhaupt nicht nachvollziehen. Und es ist ein Verrat an der Bio-Idee von Bio. Und dies ausgerechnet vom Vorstand des Bio-Verbandes.» Dieser müsse vor allen andern zum Ziel haben, dass Bio zunimmt und nicht in einer Nische stecken bleibt mit einem Wachstum von ein, zwei Prozent pro Jahr.
Offenbar will der Vorstand nicht, dass Bio zum Standard wird.
Das Nein des Vorstandes von Bio Suisse zur Trinkwasserinitiative gibt auch andernorts zu denken. Etwa bei Biobauer Markus Bucher, der die Initiative unterstützt. Bucher sagt, der Brief der Bio-Suisse-Verantwortlichen sei eine Bankrotterklärung. «Offenbar will der Vorstand nicht, dass Bio zum Standard wird. In meinen Augen muss er das aber. Wir sehen ja, wohin uns die konventionelle Landwirtschaft geführt hat.» Biobauer Bucher, der auf seinem Betrieb in Grossaffoltern 30 Personen beschäftigt und unter dem Label Bio-Knospe unter anderem jährlich über 35 Tonnen Knoblauch produziert, wirft dem Vorstand vor, mit seinen Aussagen den Zielen zu widersprechen, die man im Biolandbau seit Jahren verfolge.
Begründung zur Nein-Parole: Viele Bio-Betriebve würden das Preisgefüge gefährden.
«Kassensturz» liegt ein weiteres, brisantes Dokument vor: das Schreiben des Vorstandes an die Delegierten von Bio Suisse zur Parolenfassung in Bezug auf die Trinkwasserinitiative. Darin nennt der Vorstand «drängende Probleme» – Umweltprobleme – unserer Zeit: Artensterben, Überdüngung, Pestizide, Klima. Die Landwirtschaft spiele dabei mit dem «ausgedehnten Einsatz von synthetischen Pestiziden und Kunstdüngern … eine wichtige Rolle». Der Vorstand führt aus, dass er die «politische Reaktion» auf diese Probleme als «ungenügend» erachtet. Trotzdem schlägt er zum Schluss die Nein-Parole vor. Begründung: Viele Grünlandbetrieb würden auf Bio umstellen und so das heutige «faire» Preisgefüge gefährden.
Edith Marbot, eine weitere Bio Bäuerin, die «Kassensturz» mit der Haltung der Bio-Suisse-Oberen konfrontiert, teilt die Bedenken des Vorstandes betreffend mehr Konkurrenz nicht. Es käme letztlich auf den Nettoertrag an, den die Bauern realisieren können. Sie betrachtet die Trinkwasserinitiative als Sprungbrett: «Wir werden alle ins kalte Wasser geworfen. Es kann uns durchschütteln. Die Preise können sinken. Aber wenn ich mir vorstelle, dass wir das Wasser aus der Quelle nicht mehr trinken können, dann schüttelt es uns alle richtig durch.»