- Der Vanillepreis ist in den letzten zehn Jahren explodiert: Von rund 50 auf heute über 800 Franken pro Kilo.
- Die Preisspirale hat Folgen: Spekulanten sind auf schnelle Gewinne aus und werfen Vanille zu früh auf den Markt.
- Darunter leidet die Qualität: Vanille-Schoten enthalten immer weniger der wertvollen Aromen, welche den Reiz dieses Gewürzes ausmachen.
- Ein Labortest von «Kassensturz» beweist: Der Grossteil der Vanille-Schoten ist viel weniger aromatisch als noch vor wenigen Jahren.
Selten ist der Befund aus einem «Kassensturz»-Test so niederschmetternd: In den letzten Jahren sind Vanille-Schoten zwar viel teurer geworden, aber auch viel schlechter. Das belegt die Laboranalyse des entscheidenden Qualitätsmerkmals des Gehaltes an Aromen.
Immer weniger Aroma
Von acht getesteten Vanille-Schoten im Test überzeugt nur eine. Die Bourbon-Vanille von Bio-Anbieter Rapunzel. Diese Schote enthält 26 Gramm Aromen pro Kilogramm Gewicht. Das ist der mit Abstand beste Gehalt und ein sehr gutes Testresultat.
Gemäss Testleiter Klaus Haase-Aschoff vom beauftragten Labor hätte dieser Wert vor einigen Jahren noch einer durschnittlichen Vanille-Schote entsprochen. Er schreibt: «Vor etwa fünf bis zehn Jahren lagen die durchschnittlichen Vanillin-Gehalte fast doppelt so hoch im Vergleich zu aktuellen Ernten.»
Das charakteristische, süssliche Aroma der Vanille stammt in erster Linie von Vanillin. Besonders in der bei uns am weitesten verbreiteten Bourbon-Vanille ist Vanillin das dominierende Aroma. Das Labor hat aber auch zahlreiche weitere Aromastoffe extrahiert und deren Gehalt in den Schoten bestimmt. Das Resultat ist teilweise ernüchternd.
Unterschiedlich viel Aroma je nach Sorte
Am wenigsten Aroma enthalten die Vanille-Schoten von Betty Bossi aus dem Coop. 6,7 Gramm pro Kilo. Prädikat ungenügend. Zum Resultat schreibt Coop, es handle sich um eine Tahiti-Vanille. Diese enthalte von Natur aus weniger Vanillin als Bourbon-Vanille. Ebenfalls eine andere Sorte, Vanille Pompona, verwendet der Hersteller Altes Gewürzamt, erhältlich bei Globus: Diese Schoten enthielten im Test etwas mehr Aromen als Betty Bossi. Dennoch Prädikat ungenügend.
Von den Bourbon-Schoten enthält die Vanille der Marke Butty, unter anderem erhältlich bei Spar und Volg, am wenigsten Aroma. Über 15 Gramm Aromen enthalten die Bio-Schoten von Manor, Dr. Oetker Vanille und die Schoten aus der Migros. Alle sind genügend.
Missernten begünstigen Spekulation
Paradox: Die Ursache für die Qualitätseinbussen der letzten Jahre sind unter anderem die hohen Preise. Am Anfang standen Tropenstürme und Missernten in Madagaskar, von wo 80 Prozent der weltweit gehandelten Vanille-Schoten stammen. Dadurch stieg der Preis und damit begann auch die Spekulation.
Die Vanille-Herstellung ist ein langsamer Prozess. Zu Beginn bestäuben die Bauern jede einzelne Vanille-Blüte von Hand. Die geernteten, grünen Kapseln der Vanillepflanze, einer Orchidee, werden dann kurz aufgekocht. Damit lösen die Bauern den Fermentationsprozess aus, bei dem das begehrte Aroma sich ausbildet.
Wenn wir einen Dieb erwischen, töten wir ihn.
Danach müssen die Schoten über Wochen und Monate getrocknet, gelagert und immer wieder geprüft werden. Der hohe Preis rechfertigt den Aufwand. Er verleitet aber derzeit Bauern dazu, Ihre Schoten immer früher zu ernten. Die Bauern fürchten um Ihre Ernte.
Plantagen werden scharf bewacht
Vanille-Bauerin Philomène Razafimahita bewacht ihre Bäume kurz vor der Ernte Tag und Nacht. Zu gross ist die Angst, dass ihr Diebe die wertvollen Schoten direkt vom Feld stehlen: «Wir schützen die Pflanzen auf Leben und Tod. Die Diebe kommen oft in der Nacht. Wenn wir einen erwischen, töten wir ihn.»
In der Region Sava im Nordosten von Madagaskar sind viele Menschen von der Vanille abhängig. Manche versuchen ihr Glück mit Spekulationen. Händler George Randriamiharisoa fürchtet nicht so sehr um die Sicherheit, sondern vor allem um die Qualität.
Immer öfter würde der Veredelungsprozess der Schoten abgekürzt, um ans schnelle Geld zu kommen: «Für den europäischen Markt braucht die Vanille-Schote 26 Prozent Feuchtigkeit. Die Leute exportieren aber Vanille mit 40 Prozent Feuchtigkeit. Voller Wasser. Da geht es ums Geld. Ohne Rücksicht auf die Qualität.»
Paradox: Nach Europa gelangen also derzeit Vanille-Schoten zu einem viel höheren Preis, aber von zweifelhafter Qualität. Beim Gewürzhändler J. Carl Fridlin aus dem zugerischen Hünenberg ist man sich des Problems bewusst.
Zum Ausprobieren
Hohe Preise senken Nachfrage
Selbst habe man dank langjährigen Beziehungen zu Lieferanten zwar noch keine Qualitätseinbussen hinnehmen müssen, sagt Einkäuferin Nicole Scheidegger. Der hohe Preise habe aber Auswirkungen auf die Nachfrage: «Der Preis hat sich in letzten Jahren versechzehnfacht. Von 50 auf 800 Franken pro Kilo. Wir nehmen derzeit nur noch auf Kundenbestellung hin Vanille an Lager.»
Derzeit verkaufe J. Carl Fridlin nur noch die Hälfte der Mengen von früher. Viele Abnehmer, Grosshändler aus dem Gastrobereich, weichen auf Alternativen aus oder bestellten gar nicht mehr. Die Spezialistin hofft auf tiefere Preise ab 2019 oder 2020. In der Branche heisst es aktuell, dass die madegassische Regierung bald Exportbeschränkungen einführe, um die Hausse zu beenden.