Grüntee ist etwas für Geniesser. Beim Angiessen ziehen Bilder von saftig-grünen Plantagen vor dem geistigen Auge vorbei. Grüntee – ein reines Naturprodukt?
Viele Pestizide, geringe Mengen
«Kassensturz» und das Konsumentenmagazin «A Bon Entendeur» vom Welschschweizer Fernsehen haben 12 Grüntees im Labor untersuchen lassen. Resultat: Die Hälfte der Grüntees enthalten Pestizide, im schlimmsten Fall sogar 7 verschiedene. Immerhin wurden keine Grenzwerte überschritten. Das Gesetz lässt aber zu, dass Lebensmittel eine beliebige Anzahl Pestizide enthalten, solange die einzelnen Substanzen den festgeschriebenen Grenzwert nicht übersteigen.
Am meisten Pestizide im Twinings-Grüntee
Es ist ein alter Streit, ob nicht ein Grenzwert für die Summe aller Pestizide eingeführt werden müsste. Auch viele Kantonschemiker, die für die Überprüfung der Lebensmittel zuständig sind, setzen sich für einen Summengrenzwert ein.
Mit 7 verschiedenen Pestiziden belastet war der Beuteltee Twinings Pure Green Tea. Nicht viel besser schneidet der Gunpowder-Tee des Genfer Teehauses Tschin-ta-ni ab.
Hersteller Twinings sei vom Befund «völlig überraschend getroffen» worden, wie er dem «Kassensturz» schreibt. Er betont, der Tee sei gesetzeskonform, und verweist auf die Anstrengungen, die Twinings für rückstandsfreie Ware und soziale Gerechtigkeit in der Teeproduktion unternehme.
Lord Nelson Green Tea von Lidl enthält 4, die beiden Eigenmarken Coop Green Tea lose und M-Classic Grüntee im Beutel je 3 Pestizide.
Coop schreibt, dass die Hälfte des Grüntee-Umsatzes mit Naturaplan und Max Havelar gemacht werde. Aber auch bei konventionellen Produkten sei Coop zusammen mit den Herstellern bestrebt, den Pestizid-Einsatz und die daraus resultierenden Rückstände zu minimieren.
Migros betont, dass der «M Classic»-Grüntee regelmässig auf Pestizidrückstände geprüft wird. «Bis heute erhielten wir keine Beanstandungen wegen des Nachweis von Pestiziden, welche sich über den vom Gesetz vorgegebenen Werten befanden», erklärt Migros.
Sechs Tees ohne Pestizide
Wer Pestizide vermeiden will, dem stehen genügend «saubere» Grüntees zur Auswahl: In sechs Tees hat das Labor nämlich überhaupt keine Pflanzenschutzmittel gefunden.
Darunter sind auch fast alle Bio-Tees, allen voran Thé vert nature der Marke Destination James Valley Ceylan. Dieses Produkt trägt auch gleich das striktere Demeter-Label und erfüllt auch soziale Kriterien zum Schutz der Arbeiter.
Pestizid-Spuren in einem Bio-Tee
Deutlich günstiger sind die Bio-Tees Naturaplan aus dem Coop (Fr. 3.40) und Wuyan Bio natur plus (lose) aus dem Manor. Die weiteren Tees ohne Pflanzenschutzmittel finden Sie in der Tabelle Resultate im Detail.
Ein einziger Bio-Tee jedoch enthält ein Pestizid. Es ist im Tekoe-Grüntee aber nur in Spuren vorhanden, und es handelt sich um eine Substanz, die im Biolandbau erlaubt (siehe Grafik oben).
Gesundes Antioxidans im Grüntee
Die Teebeutel «Destination» sind nicht nur frei von Pestiziden, sie enthalten auch die grösste Menge des Wirkstoffs EGCG (157 mg). Das Polyphenol wirkt im Körper als Antioxidans und gilt deshalb als besonders gesund. Der EGCG-Wert des Naturaplan-Beuteltees ist ebenfalls beträchtlich (146 mg).
Das Gift, das wir nicht gerne mit unserem Tee trinken, hat für die Teepflückerinnen viel gravierendere Folgen. Denn das idyllische Grün der Teeplantagen täuscht: Es handelt sich um ökologisch fragwürdige Monokulturen, wo viel Chemie zu Einsatz kommt.
Arbeiter spritzen Pestizide ungeschützt
Noch stärker sind die Arbeiter gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt, die das Gift verspritzen. Ohne Schutz verrichten sie ihre Arbeit und atmen dabei die gesundheitsschädlichen Substanzen ein. «Wir bekommen nicht einmal eine Schutzmaske», klagt ein Arbeiter im Hochland von Sri Lanka. Er atmet den Sprühnebel täglich ein. «Die Pestizide verursachen Kopfschmerzen, Schwindelgefühle und Brechreiz.»
Ganze Landstriche werden vergiftet
Doch damit nicht genug. Denn der massive Einsatz von Pflanzenschutzmitteln hat Folgen weit über die Ränder der Teeplantagen hinaus.
Klare Worte wählt Siva Pragasam von der Hilfsorganisation HDO: «Der Gifteinsatz ist für die ganze Region verheerend.» Denn die Gifte gelangen ins Grundwasser, von dort in die Flüsse, aus welchen die Bevölkerung wieder ihr Wasser schöpft – für ihren eigenen Tee.
Radioaktiv belasteter Tee aus Japan
Auch in Japan befinden sich grosse Teeanbaugebiete. Aus der Ernte dieses Jahres gelangt nun auch Tee in die Schweizer Regale. Wie Untersuchungen des BAG und der Zeitschrift «Gesundheitstipp» zeigen, führt das Reaktorunglück in Fukushima zu erhöhten Werten von Grüntee. Der höchste Wert der BAG-Untersuchungen beträgt 6,1 Becquerel pro Kilo (Bq/kg) an Cäsium-137, die höchste Messung im «Gesundheitstipp»-Test bewegt sich im gleichen Rahmen. Von 15 Proben im diesem Test enthielten 7 mehr als 1 Bq/kg. Der Schweizer Toleranzwert liegt eigentlich bei 10 Bq/kg.
Nach der AKW-Katastrophe hat das BAG allerdings einen viel höheren Grenzwert von 500 Bq/kg festgelegt. Tee, der mit weniger belastet ist, darf in der Schweiz verkauft werden. Erhöhte Radioaktivität mit dem Verzehr von japanischen Lebensmitteln bewusst in Kauf zu nehmen, ist nicht zu empfehlen. «Es gibt keine biologisch harmlose Strahlendosis», zitiert der «Gesundheitstipp» den Krebsspezialisten Claudio Knüsel vom Basler Clara-Spital.