Nur bei einem oder zwei Helmen habe «alles gestimmt», sagt Johanna Hirsiger, die am «Kassensturz»-Praxistest mitgemacht hat. Das Ausmass der Mängel und Unzulänglichkeiten bei den verschiedenen Helmen ist gross: Vor allem verrutschte bei einigen Helmen die Y-Schnalle leicht – also dort, wo sich die Bändel unterhalb der Ohren treffen. Das ist unbequem, lästig und unter Umständen sogar gefährlich.
«Kassensturz», «Velojournal» und «Saldo» haben zwölf Helme testen lassen. Darunter sind neben den meistverkauften Helmen auch vier «Lifestyle»-Helme, wie man sie immer häufiger auf den Strassen sieht: Brent, Melon, POC und Kask. Bei den meistverkauften Helmen waren neben den Marken Alpina, Bell, Giro, Scott und Uvex auch die Eigenmarken Crosswave (Migros), Leopard (Coop Bau+Hobby) und Go on (Jumbo) im Test vertreten. Der teuerste Helm kostet 229 Franken, der günstigste gerade mal 26.90 Franken.
Im Praxistest überprüften zehn geübte Velofahrer und Helmträger Sitz und Einstellsystem der Helme sowie das Handling im Alltag. Und wie in früheren Jahren führte die Empa drei Sicherheitsprüfungen nach der europäischen Norm (EN 1078) durch und testete Stossdämpfung, Festigkeit der Bändel und Abstreiftest.
Velohelme sind so gut wie noch nie
Alle Helme haben die Normprüfung bestanden (siehe Testtabelle). Das sollte zwar eine Selbstverständlichkeit sein. Denn die Hersteller müssen ihre Helmmodelle in diesen Test schicken, bevor sie als Velohelme in den Verkauf gehen dürfen. Trotzdem sind in allen früheren Tests von «Kassensturz», «Saldo» und «K-Tipp» immer mehrere Helme durchgefallen.
Die Helme haben mehr als «bloss» bestanden. Auch sind die Werte erfreulich, welche die Empa gemessen hat: Keiner der Helme war bei der Stossdämpfung auch nur in der Nähe des Grenzwerts. Die Werte waren generell besser als in früheren Tests. Auch die Bändelsysteme haben im Empa-Test mit Bestnoten abgeschnitten, den Abstreiftest haben alle Helme bestanden. Es scheint, dass es die Hersteller geschafft haben, die Helme sicherer zu machen.
Standesgemässe Testsieger: Scott und Giro
Die besten Noten holten sich mit Scott und Giro zwei etablierte Marken. Beide sind «sehr gut» im Normtest. Für ein «sehr gutes» Gesamturteil reichte es aber nicht, obwohl sie auch hier zu den besten gehörten.
Bei Scott Lin harzte das Drehrad zum Einstellen des Kopfumfangs und der Kinnriemen kann sich bei der Y-Schnalle verstellen. Bei Giro kann man den Helm nicht an den Kopfumfang anpassen, wenn er auf dem Kopf sitzt.
Der billigste Helm gehört zu den besten
Hinter diesen beiden eher teuren Helmen (140 und 160 Franken) folgen gleich vier Helme mit Gesamtnote 5,0: Neben den Marken Uvex und Alpina sind das auch das Melon-Modell und Go on von Jumbo für günstige 26.90 Franken. Dieses Modell hat nicht nur den Normtest tadellos überstanden, sondern auch im Praxistest fast so gut wie die besten abgeschnitten.
Die zu kleine Schnalle führte zu negativen Kommentaren. Und es gab Tester, bei denen der Go-on-Helm zu Druckstellen führte. Für Go on gilt deshalb erst recht, was für alle anderen auch gilt: Erst dann kaufen, wenn man den Helm gut angepasst und ein paar Minuten getragen hat.
Auch zwei coole Helme halten mit
Bei den modischeren Lifestyle-Helmen überzeugte vor allem Melon. Der Helm, den es in vielen farbigen und witzigen Designs gibt, konnte nicht nur in den Sicherheitstests, sondern auch im Praxistest mit den «traditionellen» Helmen bestens mithalten.
Nur unwesentlich schlechter ist aber Kask Urban Lifestyle Piuma. Das grösste Minus holt sich dieser Helm wegen der mangelnden Verstellbarkeit der Bändel. Auch bei diesem Helm stellten Prüfpersonen fest, dass es schnell warm wird – kein Wunder bei den schmalen Lüftungsschlitzen. Dem Hitzegefühl soll im Alltag mit höherer Fahrgeschwindigkeit entgegengewirkt werden: Der Helm ist auf E-Bike-Fahrer ausgerichtet, der dank schnellerem Tempo auch besser durchgelüftet werden sollte. Zum E-Bike-Konzept gehört auch das montierte, hochklappbare Visier.
Vier Velohelme sind nur «genügend»
Trotz guter Noten in der Sicherheitsprüfung sind vier Helme nur «genügend». Grund dafür waren Abwertungen für Kinnbändel, die sich von selber verstellen. Das darf nicht sein und hat zu einer Abwertung bei der Praxistest-Note von Crosswave und POC geführt. Leopard Bora wurde noch stärker bestraft, weil sich neben dem Kinn- auch noch der Kopfbändel verstellen können.
Stellungnahmen zu «genügenden» Helmen
In einer schriftlichen Stellungnahme schreibt die Migros «Kassensturz», man werde die Einstellung für die Kopfgrösse und die Y-Schnalle mit dem Lieferanten besprechen. Fuchs-Movesa schreibt, Bern Brentwood sei bereits verbessert worden: Statt einem Klettverschluss zur Einstellung des Kopfumfangs kommt neu ein System mit Drehrad zum Einsatz. Der Vertreiber weist ausserdem darauf hin, dass der Preis auf 100 Franken gesenkt worden sei. Coop schliesslich ist mit der Kritik an seinem Helm nicht einverstanden. Dennoch soll die Y-Schnalle verbessert werden.
So wurde getestet
Die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) in St. Gallen testete die Helme im Auftrag von Saldo. Untersucht wurden auf Grundlage der EN-Norm 1078 drei Sicherheitsaspekte:
- Stossdämpfung: Die Prüfer setzen den Helm auf den Prüfkopf. Diesen lässt man auf einen Stahlamboss prallen. Vier Stürze simulieren den Fall auf einen flachen Untergrund oder auf eine Bordsteinkante. Ein Sensor im Prüfkopf misst beim Aufprall, wie stark die Belastung für den Kopf war. Die Norm erlaubt maximal 250 g (Erdbeschleunigung).
- Abstreiftest: Die Prüfer befestigen einen Haken auf der Hinterseite des Helms. Daran bringen sie ein Drahtseil an. Dann wird der Helm ruckartig schräg nach oben und vorne gezogen. Dabei darf er sich nicht vom Prüfkopf lösen.
- Festigkeit der Trageeinrichtung: Die Tester prüfen, wie belastbar die Trageeinrichtung ist. Beim Test wird der Kinnriemen mit einer bestimmten Kraft nach unten gezogen. Dabei darf sich das Gurtsystem nicht verschieben und der Verschluss muss anschliessend noch geöffnet werden können.
In einem Praxistest begutachteten zehn routinierte Helmträger alle Helme, passten sie an, setzten sie auf und trugen sie kurze Zeit, um Druckstellen zu spüren. Sie bewerteten die Helme anschliessend nach einem Fragebogen.