Mit der Bahn hochfahren, Trottinett in Empfang nehmen und je nach Lust gemütlich hinunterfahren und die Aussicht geniessen – oder rasant die Strecke hinunterflitzen.
Viele Bergbahnen haben Abfahrten mit in ihr Angebot aufgenommen. Bei den meisten ist das Konzept aber nicht durchdacht.
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«Kassensturz» ist mit einem Expertenteam quer durch die Schweiz gefahren und hat inkognito zehn Downhill-Abfahrten für Trottinette getestet. Die Crew hat viele Trottinette mit mangelhaften Bremsen angetroffen, kaputte Helme zuhauf und Strecken, die lausig unterhalten oder schlecht signalisiert sind.
8 von 10 Bremsen ungenügend
Bei den Bremsen haben nur zwei Anbieter überzeugt: Adelboden BE und Savognin GR. Bei vielen Trottinetten waren die Bremsen zu weich eingestellt, so etwa in Saas-Fee VS, Filzbach GL und Melchsee-Frutt OW. In Schönried BE das Gegenteil: «sehr schlecht dosierbar», «bei höherer Geschwindigkeit gefährlich» notierten die Experten. Die hart eingestellten Bremsen waren umso problematischer, weil die Bremsen auf dem lockeren Schotter der Naturstrasse sofort blockierten.
Auf der Strecke Gernialp–Engelberg OW fiel sogar eine Vorderbremse komplett aus. Dieser Vorfall war für das Expertenteam schwer einzuordnen, war doch das Material gut gewartet und ein absoluter Pluspunkt dieses Anbieters.
Testtabelle:
Inakzeptabel waren die Bremsen der Trottinette in Bettmeralp VS. Zwei von sieben Trottinetten hatten erhebliche Mängel: Bei einem «Trotti» war die Bremse so angezogen, dass sich das Hinterrad nur schwer drehen liess, bei einem zweiten hätte das Bremskabel der Hinterbremse jederzeit aushängen können. Die Fahrzeuge waren generell schlecht gewartet.
Helme in schlimmem Zustand
Schier unglaublich war, was die Testcrew an Helmen zu sehen bekam. Helme mit Dellen, mit Rissen im Styropor oder sogar mit herausgebrochenen Styropor-Teilen (Bettmeralp) waren keine Seltenheit. Oft werden die Helme in riesigen Boxen oder Säcken gelagert. Das ist keine passende Aufbewahrung für Helme und auch nicht kundenfreundlich: Die Mieter müssen sich eine passende Helmgrösse mit Probieren heraussuchen. Das Berner Oberland mit Adelboden und Schönried waren dank einer «Helm-Ordnung» die positiven Ausnahmen.
Noch schlimmer sind die Helme in Wildhaus. Hier werden nicht etwa Velohelme nach der üblichen Europäischen Norm 1078 zur Verfügung gestellt, sondern Bauhelme. Das Expertenurteil ist eindeutig: Solche Helme sind nicht für Sportunfälle ausgelegt und deshalb ein Risiko. Der Betreiber gibt als Grund dafür an, dass Bauhelme im Gegensatz zu Velohelmen waschbar seien und die Kunden von der besseren Hygiene profitieren könnten.
Fahrgestelle und Reifen: Zustand durchzogen
Etwas besser ist die Bilanz bei den Reifen: Der Zustand ist bei sechs Anbeitern akzeptabel oder gar gut. Savognin bildet mit einem geplatzten Reifen hier die Ausnahme. Auch bei den Fahrgestellen und der weiteren Ausrüstung genügten viele Trottinette den Ansprüchen, einzelne überzeugten (Adelboden, Engelberg, Wildhaus SG). Vereinzelt gab es aber auch Fahrgestelle, die zu leicht waren, die keine genügend grosse Fläche für die Füsse hatten, fehlende Glocken, oder solche, deren Federung durchschlägt.
Einige Roller wären zwar eigentlich in gutem Zustand – nur leider für die Strecke nicht geeignet. Das war vor allem in Saas-Fee der Fall. Mit den leichten Miet- Trottinetten ohne Federung, mit zu schmalem Lenker und unzureichenden Bremsen ausgerüstet einen Naturweg mit viel Schotter hinunterzufahren, hat das Vergnügen stark beeinträchtigt. «Die Strassentrottis von Saas-Fee waren für dieses Gelände mit grossen Steinen meiner Meinung nach ungeeignet», sagt Robert Weishaupt, Präsident vom Verband «2rad mittelland».
Stacheldraht und rutschige Abwasserrinnen
Die Trottinette selber waren aber nur ein Teil der Bewertung. Für eine sichere und vergnügliche Abfahrt braucht es auch eine geeignete, sichere und gut gewartete Strecke. Ein Minuspunkt vieler Strecken war der Gegenverkehr, was vor allem bei Kurven mit fehlender Sicht gefährlich ist. Es kann aber nur schon unangenehm sein, die Strecke mit Wanderern zu teilen, die immer wieder für die Zweiräder den Weg freimachen müssen.
Doch auch hier machten die Experten grosse Mängel aus: Stacheldraht am Wegrand, sogar in Kurven, schlecht unterhaltene Abwasser-Rinnen, Rollsplit auf dem Asphalt oder die zu spät signalisierte Einfahrt in eine befahrene Strasse, markiert nur mit verwaschener Kein-Vortritt-Signalisation am Boden, wo ein rechtzeitiger Halt schier unmöglich ist.
Langes Warten auf Besserung
Ganz offenbar wollen viele Tourismus-Regionen und Bergahnen eine zusätzliche Attraktion für Besucher im Sommer bieten. Dass die Instandhaltung der Strecke, der Trottinette und der Helme aber auch zeit- und kostenintensiv sind, müssen viele noch lernen.
Das ist schade, weil nicht nur die Sicherheit, sondern auch das Vergnügen unter schlechtem Material, ungenügend gewarteten Pisten und mangelnder Signalisation leidet.
Das Test-Team unterwegs - Ein kleiner Einblick:
Dem Verband Seilbahnen Schweiz sind rund 30 Trotti-Anbieter angeschlossen. Das Problem sei erkannt, sagt der Verband. Zusammen mit der Beratungsstelle für Unfallverhütung BfU habe er Checklisten für die Bahnbetreiber erarbeitet und erste Kontrollen durchgeführt. «Das ist aber ein langer Prozess», sagt Ueli Stückelberger, Direktor Verband Seilbahnen Schweiz. Bis ein akzeptabler Sicherheitsstandard erreicht ist, dürfte also noch manches schlechte Trotti den Hang hinunterholpern.
Im Test waren Trottinett-Abfahrten in:
- Adelboden BE
- Bettmeralp VS
- Davos GR
- Engelberg OW
- Filzbach GL
- Melchsee-Frutt OW
- Savognin GR
- Schönried BE
- Saas-Fee VS