Im Auftrag von «Kassensturz» testen Wissenschaftler des Instituts für Lebensmittelsicherheit der Universität Zürich 33 Importgemüse und Kräuter aus Grossverteilern und spezialisierten Läden. Das Ziel: herauszufinden, ob dieses Gemüse mit gefährlichen antibiotikaresistenten Keimen verschmutzt sind.
Asien: Hotspots der multiresistenten Bakterien
Denn Länder wie Indien, Thailand, Vietnam sind Hotspots für die Entstehung von multiresistenten Keimen, sagt Roger Stephan, Direktor des Instituts für Lebensmittelsicherheit und -hygiene der Universität Zürich.
Die Verbreitung eines resistenten Bakteriums hänge direkt mit der Anwendungsmenge der Antibiotika ab. «In diesen Regionen gibt es keine klaren Rahmenbedingungen für den Verkauf von Antibiotika, für Konsum, Einnahme, und es gibt auch keine Anwendungsempfehlungen, wie diese aufgenommen werden sollen. Das führt zu einer massiven Verbreitung von multiresistenten Bakterien», sagt Roger Stephan.
Jede dritte Probe ist belastet
Roger Stephan und sein Team haben in einer grossen Untersuchung entdeckt, dass Importgemüse aus Asien massiv mit antibiotikarestistenten Bakterien belastet ist. Jetzt zeigt auch die «Kassensturz»-Stichprobe: Auf 11 von 33 Proben waren mit antibiotikaresistenten Bakterien belastet. Die Forscher fanden zwei verschiedene Erreger mit der antibiotikaresistenten ESBL Eigenschaft (siehe vollständige Tabelle unten).
Das alarmierende Resultat deckt sich mit der früheren Untersuchung des Instituts für Lebensmittelsicherheit. Die beiden Erreger stammen aus dem Darm: Aufgrund der weitergehenden Charakterisierung sei die Wahrscheinlichkeit gross, dass diese vom Menschen stammen und über fäkale Ausscheidungen ins Wasser gelangt seien.
Dieses Wasser sei dann für die Bewässerung der Pflanzenplantagen gebraucht worden und habe so das Gemüse kontaminiert.
Antibiotika wird unwirksam
Dieser Befund ist für die Experten alarmierend. Gelangen solch multiresistente Bakterien, sogenannte ESBL-Keime, in den Körper des Menschen, besteht die Gefahr, dass im Fall einer Infektion Antibiotika nicht mehr wirken. Kommt hinzu, dass die Keime ihre Antibiotikaresistenzen leicht an andere Bakterien weitergeben.
In Spitälern zeigt sich eine Zunahme von Patienten, bei denen viele Antibiotika nicht mehr wirken. Am Anfang merkt der Patient noch nicht, dass er Träger eines antibiotikaresistenten Keims ist. Wenn man jedoch einen Unfall hat, wirken die gängigen Antibiotika nicht mehr. Man brauche dann «Antibiotika aus der Reserve».
Der international anerkannte Infektiologe des Universitätsspitals Basels, Andreas Widmer, kennt viele solche Fälle: «Reserveantibiotika haben stärkere Nebenwirkungen, insbesondere auf die Nieren. Zudem wird die Behandlung komplexer, dauert länger, wird teurer. Und wenn man von diesen Reserveantibiotika sehr viele braucht, dann werden auch die nicht mehr wirksam. Dann haben wir nichts mehr.»
Die Gefahr einer Übertragung von antibiotikaresistenten Keimen besteht in Spitälern. Auch die Geflügelmast ist nachweislich eine Quelle. Mit dem Fleisch der Hühner kommt ESBL vom Stall in den Nahrungskreislauf («Kassensturz» vom 02.12.2014).
Diese Produkte waren kontaminiert
Doch nun zeigt sich, dass auch Gemüse ein Quelle für die Übertragung der gefährlichen Keime ist.
Das Labor hat im «Kassensturz»-Test ESBL-bildende Keime gefunden auf den Thaiauberginen, gekauft bei Aggarwal in Bern. Und auf den Okra – ebenfalls aus Thailand – von Loeb in Bern. Loeb schreibt: Sie würden zusätzliche Kontrollen der Okras prüfen.
Auch mit ESBL verunreinigt sind die Curryblätter von Aggarwal in Bern, die gefrorenen Curryblätter des Trung-Viet-Shop im zürcherischen Fällanden und die getrockneten Curryblätter von Jelmoli-Foodmarket in Zürich, alle drei Produkte kommen aus Indien.
Auch mit ESBL belastet sind die Bergamotblätter aus Thailand, gekauft bei der Lian Hua GmbH in Zürich. Lian Hua schreibt, sie würden beim Produzenten einen höheren Standard einfordern.
Besonders gefährlich: Basillikum und Koriander
Wird Gemüse gekocht, sterben die Keime. Doch bei der Zubereitung lauern viele Gefahren der Kreuzkontamination. Wenn Tücher, Schneidbrettchen und Messer verschmutzt werden, können die Keime trotz Kochens übertragen werden.
Besonders gefährlich sind ESBL-Keime auf Kräutern. Weil Thai-Basilikum und Koriander häufig roh verzehrt werden, landen die Keime direkt im Darm und werden dort aufgenommen.
Auf diesen Kräutern haben die Wissenschaftler ESBL-Keime gefunden: Koriander vom Trung-Viet-Shop in Fällanden, vom Asia-Store in Zürich Oerlikon, Globus Bahnhof in Zürich sowie auf dem Koriander von Aggarwal in Bern. ESBL-Keime auch auf dem Thai-Basilikum aus dem Coop Zürich Eleven.
Gleich drei von vier getesteten Produkten des indischen Supermarktes Aggarwal in Bern sind mit ESBL kontaminiert. Die Verantwortlichen nehmen die Resultate ernst. Sie haben einige Produkte sofort aus dem Verkauf zurückgezogen. Sie würden die Situation mit den Lieferanten prüfen und verbessern, sagen die Zuständigen.
Auch die anderen betroffenen Grossverteiler und Asia-Läden nehmen Stellung. Sie werden weitergehende Kontrollen prüfen und den Druck auf Lieferanten erhöhen.
* Gefundene Träger-Bakterien von ESBL: E = Escherichia coli. K = Klebsiella pneumoniae.