«Kostenexplosion bei MS-Medikation» titelte das SRF-Konsumentenmagazin «Espresso» im Herbst 2014. Soeben hatte das Medikament Tecfidera die Zulassung für die Schweiz bekommen, ein Medikament für Menschen mit Multipler Sklerose. Die jährlichen Behandlungskosten explodierten damit von rund 2000 auf über 20‘000 Franken. Denn die deutlich günstigeren Alternativen konnten quasi von heute auf morgen nicht mehr von den Krankenkassen übernommen werden.
Dabei ist Dimethylfumarat (DMF) ein Wirkstoff, der längst bekannt ist. Ursprünglich wurde er zur Behandlung von Schuppenflechten eingesetzt. Durch einen Zufall wurde entdeckt, dass DMF bei Patienten mit Multipler Sklerose die Anzahl der Krankheitsschübe deutlich verringert. Diverse Apotheken stellten seither DMF-Tabletten her und gaben diese – auf ärztliche Verschreibung – an MS-Patienten ab.
Risiko liegt beim Arzt
Diese Tabletten aus der Apotheke wurden den MS-Patienten bis im vergangenen Herbst vergütet – doch mit der Zulassung von Tecfidera hat sich das geändert. Denn sobald es in der Schweiz ein zugelassenes Medikament gibt, welches für die Behandlung einer bestimmten Krankheit vorgesehen ist, sieht die Gesetzgebung vor, dass die Krankenkassen dieses auch vergüten müssen.
Es gibt allerdings Ärzte, die weiterhin die günstigen Dimethylfumarat-Tabletten verschreiben, statt des teuren Tecfidera. Voraussetzung ist, dass die Krankenkasse eine Kostengutsprache für die günstige Alternative leistet. Gegenüber «Espresso» sagt ein Arzt, dies geschehe auch in einer überwiegenden Zahl der Fälle. Jedoch, so der Arzt weiter, sei die Angst vor Repressionen unter den Ärzten gross. Denn tatsächlich: Verschreibt ein Arzt die günstige Alternative statt des offiziell zugelassenen Medikaments und bekommt ein Patient dann Probleme, kann der Arzt zur Verantwortung gezogen werden.
Lösung wäre auf dem Tisch
Damit Ärzte ohne Bedenken auch DMF-Tabletten verschreiben können, wenn Patienten dies möchten, müsste der Wirkstoff auf der sogenannten Arzneimittelliste mit Tarif (ALT) aufgeführt sein. Ein entsprechender Antrag, den Wirkstoff auf die Liste zu setzen, wurde beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) längst eingereicht. Im vergangenen Herbst noch sagte BAG-Vizedirektor Oliver Peters: «Bis in drei Monaten sollte ein Entscheid gefällt sein.»
Inzwischen ist fast ein halbes Jahr vergangen – und der Wirkstoff ist nach wie vor nicht auf der ALT aufgeführt. Und auf Nachfragen gibt sich das BAG zugeknöpft: Über Anpassungen der ALT werde zweimal im Jahr informiert, lässt ein Sprecher ausrichten. Weitere Angaben könne man keine machen. Dass es so lange dauert, bis über den Antrag entschieden ist, deutet darauf hin, dass es hinter den Kulissen ziemlich brodeln dürfte – und es ist davon auszugehen, dass die Tecfidera-Herstellerin Biogen stark am Lobbyieren ist. Denn sie dürfte an einer Aufnahme von Dimethylfumarat auf die ALT keine Freude haben.
Audios und Videos:
Kostenexplosion bei MS-Medikation
Das Pharmaunternehmen Biogen hat soeben ein Medikament für Multiple Sklerose auf den Schweizer Markt gebracht. Die jährlichen Behandlungskosten explodieren deshalb von rund 2000 auf über 20‘000 Franken. Die deutlich günstigeren Alternativen werden von den Krankenkassen nicht mehr übernommen.
Gierige Pharmafirma: So zockt sie Schwerkranke ab
Zufällig entdecken Forscher, dass ein bewährter Wirkstoff gegen Schuppenflechte auch bei der schweren Krankheit Multiple Sklerose hilft. Der US-Konzern Biogen nützt dies aus und verlangt für ein neues Medikament mit altbewährtem Wirkstoff Tausende von Franken.