Wir wissen, wie viele Kühe in unseren Ställen stehen, wie viele Tonnen Kartoffeln in unserer Erde reifen, wie viele Autos jedes Jahr neu eingelöst werden. Aber wir wissen nicht, wie viele der millionenteuren medizinischen Grossgeräte wie Computertomographen (CTs) oder Magnetresonanztomographen (MRIs) in der Schweiz in Betrieb sind.
Am meisten MRIs in Europa
Felix Schneuwly vom Krankenkassendachverband Santésuisse ärgert sich: «Das ist Planung im Blindflug! Wenn die Geräte in Betrieb sind, dann werden sie auch gebraucht. Ob die Untersuchung jedoch immer notwendig ist, kann man nicht überprüfen.» Eines sei sicher, sagt Schneuwly: «Wenn sie in Betrieb sind, generieren sie Umsätze, und das zahlen wir Prämienzahler.»
Magnetresonanztomographen und Computertomographen zum Durchleuchten des menschlichen Körpers gehören zur Standardausrüstung eines Spitals. Ein MRI kostet in der Anschaffung zwischen einer und drei Millionen Franken, ein CT zwischen 600‘000 und 2,5 Millionen Franken. Dazu kommen Unterhalt und Betrieb. Kassensturz-Recherchen zeigen: Die Schweiz hat rund 230 MRIs und 236 CTs. Mehr Geräte pro Einwohner hat kein anderes Land in Europa.
Weshalb Appenzell tiefe Prämien hat
Eine neue Studie der Lausanner Professorin Karine Lamiraud kommt zum Schluss, dass die höhere Verfügbarkeit von Computertomographen zu höheren Gesundheitskosten führt. «Der Zusammenhang ist viel grösser als in früheren Studien vermutet», so Lamiraud. Das bestätigt der Ökonom Paul Camenzind vom Gesundheitsobervatorium «Obsan» in Neuchâtel. Er hat sich mit den kantonal unterschiedlichen Gesundheitskosten befasst.
Appenzell beispielsweise hat die tiefsten Gesundheitskosten des Landes. Ein Grund: Appenzell Innerrhoden hat weder ein CT noch ein MRI. «In Appenzell wird die Versorgungssicherheit vor allem mit Hausärzten sichergestellt», sagt Camenzind. «Bei komplexeren Beschwerden geht man in einen anderen Kanton und kauft sich diese Leistung ein. Das relativ einfach ausgebaute Gesundheitssystem ist ein wichtiger Grund dafür, dass die Kosten tief sind in Appenzell.»
Viel mehr MRI-Untersuchungen als früher
Fakt ist: Die MRI- und CT-Untersuchungen haben sich in den letzten Jahren im Vergleich zu normalen Arztkonsultationen vervierfacht. Dazu Tarzis Jung, der Radiologe vom Zücher Waidspital: «Wir haben ganz neue MRIs, ganz neue CTs, die die Diagnose besser und schneller stellen können und mehr sehen.»
Weil die Methoden so gut seien, würden sie mehr eingesetzt, überproportional mehr als andere Untersuchungen. «Das erklärt den Kostenanstieg in diesem Bereich», sagt Jung. «Aber die Patienten haben auch einen entsprechenden Nutzen.»
Politisches Interesse an Reduktion fehlt
Am Mehrnutzen indessen zweifelt Michael Jordi, Zentralssekretär der Gesundheitsdirektorenkonferenz. Ihr gehören die Gesundheitsdirektoren aller 26 Kantone an. «Ich bin überzeugt, dass es zu viele Grossgeräte gibt. Sie verursachen Zusatzkosten, bringen jedoch keinen therapeutischen Mehrwert.»
«Solche Geräte machen einen Standort für einen Kanton natürlich attraktiv», sagt Ökonom Paul Camenzind. «Die Spitzenmedizin schafft Arbeitsplätze. Das ist ein volkswirtschaftlicher Faktor. Darum gibt es kein wirklich grosses politisches Interesse, die Gerätezahl radikal zu reduzieren.»
Es ginge mit weniger Geräten
«Grundsätzlich kommt man mit weniger Geräten durch, das zeigt der Vergleich mit den anderen Ländern in Europa», sagt Radiologe Tarzis Jung. «Aber wenn aus Kostengründen CT- und MRI-Untersuchungen heruntergefahren werden müssen, ist dies ein politischer Entscheid, kein medizinischer.» Die Frage ist: Wie viele solcher Hightech-Geräte können wir uns bei den steigenden Gesundheitskosten leisten?