In der Schweiz ist jedes fünfte Kind zu dick, jedes zwanzigste gar fettleibig. Das sind drei Mal mehr dicke Kinder als vor 20 Jahren. Raoul Furlano, Leiter der Ernährungsabteilung des Universitätskinderspital beider Basel, hat festgestellt, dass Kinder immer früher dick werden: «Das beginnt schon im Vorschulalter, das ist das Erschreckende».
Zugenommen hat in den letzten Jahren auch das immense Angebot an ungesunden Kindernahrungsmitteln. Die Mehrheit der Lebensmittel, die sich an Kinder richten, sind zu süss, zu fett und ohne Nährwert. Besonders der Zuckergehalt ist auffällig hoch.
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Zum Beispiel in den Smacks von Kellogs - insgesamt 500 Gramm die Packung - stecken 58 Stück Würfelzucker, das entspricht einem Zuckeranteil von 43 Prozent. Kellogg entgegnet: Die Konsumenten hätten die Wahl und könnten auch weniger stark gezuckerte Produkte wählen.
Professor Kaspar Berneis, Endokrinologe am Universitätsspital Zürich warnt: Die negativen Folgen von künstlich zugesetztem Zucker seien viel stärker, als bisher angenommen. «Wir haben in Studien gesehen, dass übergewichtige Kinder mehr Zucker aus Süssigkeiten oder Softdrinks beziehen, während die gesunden Kinder mehr Obst und Gemüse essen».
Spielzeug verführt
Das Problem: Die Nahrungsmittelindustrie investiert Millionen in die Werbung für ungesunde Kinderlebensmittel. Es beginnt mit Verpackungen voll von Comicfiguren oder Trickfilmstars. Noch verlockender: Gratis-Spielzeug als Zugabe - zum Beispiel eine CD mit Abenteuerspielen. Dazu kommt ein riesiges Angebot für Kinder im Internet.
Dabei zeigen Studien: Kinder lassen sich gerade bei Spielzeug in einer Nahrungsmittelverpackung sehr leicht verführen. Ernährungsexperte Raoul Furlano und fordert deshalb, solche Beigaben zu verbieten.
Die Industrie habe das Problem längst erkannt und die Rezepturen vieler Produkte überarbeitet, entgegnet Franz U. Schmid von der Föderation der Schweizerischen Nahrungsmittel-Industrien (fial). Schmid appelliert aber auch an die Verantwortung der Eltern und betont zugleich: «Die Schweizer Industrie hat sich bereits eine Selbstbeschränkung von Werbung auferlegt, die sich an Kinder richtet.»
Einheitliche Ernährungskriterien
Im so genannten «Swiss Pledge» zum Beispiel bekennen sich bisher elf Unternehmen zur Selbstzensur. Im Herbst 2011 haben die Schweizer Konsumentenschutzorganisationen sämtliche Werbespots im Umfeld von Kindersendungen untersucht.
Das Resultat: Kinder werden nach wie vor massiv mit Werbung für ungesunde Lebensmittel berieselt. 40 Prozent der Spots warben für Produkte, die zu fett, zu süss oder zu salzig waren.
Sara Stalder vom Schweizer Konsumentenschutz kritisiert: Die Selbstzensur der Swiss Pledge-Mitglieder nütze noch zu wenig. Auch diese würden noch mehrheitlich Kinder-Lebensmittel bewerben, die von unabhängigen Experten als ungesund eingestuft würden, wie zum Beispiel Frühstücksflocken mit einem Drittel Zucker.
Stalder kritisiert: «Die Lebensmittelindustrie habe keine gemeinsamen Ernährungskriterien.» Das müsse sich ändern. Der Swiss Pledge verteidigt sich: «Die Ernährungskriterien aller Swiss Pledge-Mitglieder
wurden durch unabhängige Institute festgelegt und basieren auf der Grundlage von anerkannten wissenschaftlichen Ernährungsempfehlungen.»
Stellungsnahmen
Einheitliche Ernährungskriterien, die für alle Swiss-Pledge-Mitglieder gelten würden, würden nun aber diskutiert.