Zum Inhalt springen
Video
Manipulierte Fahrzeugtests: Auch beim Lärm wird getrickst
Aus Kassensturz vom 17.11.2015.
abspielen. Laufzeit 7 Minuten 47 Sekunden.

Umwelt und Verkehr Manipulierte Fahrzeugtests: Auch beim Lärm wird getrickst

Auch Autos und Motorräder müssen Lärm-Grenzwerte einhalten. Diese werden in einem Norm-Test ermittelt. Ein «Kassensturz»-Test zeigt: Hersteller sportlicher Fahrzeuge tricksen den Test mit Auspuff-Klappen aus. Der Clou: Das Ganze ist auch noch legal.

Damit ein Fahrzeug die Zulassung (Typengenehmigung) erhält, muss es einen Lärm-Test bestehen. Autos dürfen dabei nicht lauter sein als 74 Dezibel. Für Motorräder liegt der Grenzwert bei 80 Dezibel. Ob die Fahrzeuge diese Limite einhalten, wird in einem normierten Test ermittelt (ECE-R41/R51).

Dabei müssen die Fahrzeuge mit 50 km/h in eine Mess-Strecke einfahren und Vollgas geben. Nach zehn Metern Fahrt wird die Lautstärke gemessen.

Grenzwerte nur gerade im Norm-Test eingehalten

Doch auffällig: Vor allem stark motorisierte Autos und Motorräder halten die Grenzwerte zwar im Messbereich ein. Leicht ausserhalb aber nicht mehr. «Das stellen wir häufiger fest», sagt Marcel Strub, Bereichsleiter beim Dynamic-Test-Center DTC in Vauffelin.

Für «Kassensturz» misst das DTC das Lärmverhalten von drei PS-starken Fahrzeugen:

  • Ein Mercedes CLA 45 AMG
  • ein BMW 340i xDrive und
  • ein Motorrad Ducati Panigale S.

Alle drei halten die Grenzwerte während der Norm-Messung ein.

In einer zweiten Messung weicht der Testfahrer jeweils leicht von den Normbedingungen ab. Statt mit 50 km/h fährt er 3 bis 6 km/h schneller in die Mess-Strecke.

Ausserhalb der Normen plötzlich vier Mal lauter

Nun ist der Mercedes knapp 11 Dezibel lauter. Dies entspricht einer Verdoppelung der Lautstärke. Der BMW ist mit 92 Dezibel mehr als vier Mal so laut wie im Normtest. Die Ducati tönt drei Mal lauter.

Die Messwerte:

Fahrzeug Resultate Normtest
Resultate leicht geänderter Test
Mercedes CLA AMG
71,7 dB
82,8 dB
BMW 340i X Drive
69,1 dB
92,2 dB
Ducati Panigale S
78,0 dB
91,5 dB

Hören Sie den Unterschied selbst in der Videogalerie oben.

Technischer Kniff: Klappensystem im Auspuff

«Diese Fahrzeuge haben verschiedene Systeme drin, die auf das Abgassystem einwirken und das Verhalten des Auspuffs ändern», erklärt Marcel Strub vom DTC. Es sind Klappen im Auspuff, die sich je nach Fahrweise öffnen und schliessen. Strub stellt fest: «Wenn ein Normtest durchgeführt wird, ist die Klappe zu. Wenn man ausserhalb der Norm fährt, ist die Klappe offen». Die Folge: Das Fahrzeug ist ausserhalb der Testnorm viel lauter.

Der Verdacht: Die Systeme reagieren auf die Bedingungen des Normtestes und schliessen die Klappen. Dann ist das Auto oder der Töff leiser.

Behörden gegen die Trickserei machtlos

Audio
Auch beim Autolärm wird geschummelt - Hören Sie selbst!
aus Espresso vom 17.11.2015. Bild: SRF
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 31 Sekunden.

Der Kniff mit den Klappensystemen ist auch dem Bundesamt für Strassen Astra bekannt. In einem Bericht zu Motorrädern heisst es, dass einige Hersteller in den letzten Jahren beim «Soundtuning» ihre «Hemmungen vollständig abgelegt» hätten.

Anders als beim «VW-Skandal» um manipulierte Abgastests ist das Manipulieren von Lärmtests aber nicht illegal, sagt Astra-Sprecher Thomas Rohrbach: «Beim Abgas sind Systeme, die einen Unterschied zwischen Prüfstand und der Strasse machen, explizit verboten. Beim Lärm ist das nicht so. Das heisst: Solche Klappensysteme, die gesteuert werden, sind nicht illegal, und wir können nichts machen.»

Neue Mess-Normen ab 2016

Im nächsten Jahr wird eine neue, verschärfte Prüfnorm eingeführt. «Dann sind solche Systeme verboten», so Rohrbach. Doch ob die Fahrzeuge damit leiser werden, ist zumindest bei Motorrädern umstritten.

Ein Test des Verkehrsministeriums Baden-Württemberg zeigt: Auch die neue Messnorm ist weit weg von der Realität. So wird der Lärm nur bis Tempo 80 km/h gemessen. «Es ist auch keine Prüfung vorgesehen für eine hochtourige Fahrweise», kritisiert die zuständige Lärmschutz-Beauftragte Gisela Splett. Ihr Fazit: «Auch die Motorräder, die in den nächsten Jahren auf den Markt kommen, werden laut sein. Und die werden lange unterwegs sein. Und das ist schon frustrierend.»

Hersteller bestreiten Manipulation

«Kassensturz» hat die Hersteller mit den Ergebnissen des Lärmtests konfrontiert. Auf die Frage, wie es zu den drastischen Unterschieden kommt, schreibt der Motorradhersteller Ducati: «Jede Abweichung von standardisierten Test-Bedingungen führt zu Änderungen der Testresultate.» So führe eine höhere Einfahrtsgeschwindigkeit auch zu einer höheren Ausfahrtsgeschwindigkeit und deshalb auch zu mehr Lärm. Ähnlich argumentiert auch BMW: Es könne nicht von einer «leichten Abweichung» gegenüber der Normmessung gesprochen werden.

Kein System zur Erkennung des Tests

Die Frage, ob die getesteten Fahrzeuge die Norm-Messung erkennt und entsprechend reagiert, verneint BMW: «Der BMW 340i xDrive verfügt über kein System zur Erkennung der Normmessung, welches die Leistung drosselt oder die Klappe in der Abgasanlage ansteuert. Ein Einfluss auf die Lärmemissionen kann im Prüfbereich ausgeschlossen werden.» Auch Ducati schreibt, dass das Motormanagement nicht erkennen könne, ob ein eine Messung im Gange sei.

Mercedes hat gegenüber «Kassensturz» keine Stellung genommen.

Meistgelesene Artikel