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Schweizer Mastrinder sehen oft weder Gras noch Sonne
Aus Kassensturz vom 19.11.2013.
abspielen. Laufzeit 14 Minuten 48 Sekunden.

Umwelt und Verkehr Schweizer Mastrinder sehen oft weder Gras noch Sonne

Konsumenten stellen sich die Tierhaltung in der Schweiz zu idyllisch vor. Das zeigt eine Umfrage des Schweizer Tierschutzes STS. Auslauf auf die grüne Wiese und Stroh, so denken viele Konsumenten, sei Pflicht. Doch das ist falsch. «Kassensturz» zeigt die Realität auf Schweizer Mastrind-Betrieben.

Von wegen strenges Tierschutzgesetz: Wer konventionell, das heisst nach den Mindeststandards des Schweizer Tierschutzgesetzes produziert, der muss seinen Tieren keinen Auslauf ins Freie gewähren. Stroh im Stall ist nicht zwingend.

Und drei Quadratmeter pro ausgewachsenes Mastrind müssen reichen. Nach dem neuen Tierschutzgesetz muss jetzt auf den Spaltenböden eine Gummimatte liegen. Einstreu ist aber weiterhin keine Pflicht.

Die Umfrage des Schweizer Tierschutzes (STS) zeigt, nur gerade 20 Prozent der Befragten wussten Bescheid über die Realität in der konventionellen Rinderzucht.

Weder Stroh noch Weide

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Legende: Ergebnisse der Umfrage. SRF

Eine weitere Illusion: Die Mastrinder in der Schweiz liegen auf Stroh. Davon waren knapp 40 Prozent der Befragten überzeugt. Dass das Schweizer Tierschutzgesetz keine Einstreu im Stall vorschreibt, wussten nur 20 Prozent.

Ähnlich der Befund beim Auslauf: 35 Prozent der Umfrageteilnehmer waren der Meinung, die Tiere könnten regelmässig ins Freie. Doch das stimmt nicht. Das Tierschutzgesetz schreibt keinen Auslauf vor.

Auch dies wussten nur 20 Prozent der Teilnehmer. Unter den Teilnehmern ist das Wissen über die Bestimmungen in der Rinderzucht gering. Rund die Hälfte gaben an, zu wenig im Bilde zu sein, um die Fragen des STS beantworten zu können.

«Die Werbung fördert die falschen Meinungen in den Köpfen. Sie spricht oft von tierfreundlicher Haltung und einem strengen Tierschutzgesetz», sagt Hans-Ulrich Huber vom Schweizer Tierschutz gegenüber der Sendung «Kassensturz». So wirbt Suisse Garantie beispielsweise mit Bildern von Rindern auf der grünen Wiese.Ein Werbespot verspricht: «Ein Rind von einer Schweizer Weide».

Hälfte der Mastrinder aus konventioneller Haltung

Die Realität ist eine andere: Grünes Gras sehen die wenigsten der Suisse-Garantie-Mastrinder. Das Logo mit dem Schweizer-Kreuz besagt nur, dass es Schweizer Fleisch ist – produziert nach den Mindestanforderungen des Gesetzes.

Jährlich verarbeiten die Schlachthöfe in der Schweiz rund 220‘000 Mastrinder. Mehr als die Hälfte davon stammt aus konventioneller Mast. Die andere Hälfte der Tiere stammt aus Label-Mastbetrieben. Nur dort sind die Anforderungen an die Tierhaltung höher. Sie haben mehr Platz, liegen auf Stroh und dürfen raus.

Besser für das Tier: Bio- und Label-Fleisch

Label-Übersicht

Box aufklappen Box zuklappen

Was beim Rindfleisch-Kauf ein verlässliches Label ist, zeigt die WWF-Label-Übersicht

Die Steigerung von der konventionellen Mast zur Label-Haltung sei entscheidend, sagt Huber vom STS. «Die konventionelle Mast ist nicht tiergerecht. Die Label-Haltung aber ist es.» Noch besser für die Tiere: Die Weidehaltung. Nur sie garantiert, dass die Tiere weiden dürfen.

Den Vorwurf, dass die konventionelle Mast nicht tiergerecht sei, lässt der Vize-Präsident des Verbandes der Rindermäster Swiss Beef, Kurt Herzog, nicht gelten. «Wir arbeiten jeden Tag mit den Tieren und wissen, wie viel Platz sie brauchen, damit es ihnen gut geht», sagt er in der Sendung «Kassensturz».

Entsprechend gestalte er dann die Gruppe, sodass jedes Tier ausreichend Platz habe. Für den Branchenverband der Mäster ist die Produktionsform auch eine Frage des Marktes. Die Produktion konventionellen Rindfleisches ist relativ preisgünstig.

«Der Markt verlangt dieses Fleisch. Würden wir Mäster alle Label-Fleisch produzieren, könnten wir unser Fleisch nicht mehr verkaufen», sagt Kurt Herzog von Swiss Beef.

Migros und Coop mit 60 Prozent Label-Fleisch

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Legende: Die Spannbreite ist riesig: Denner verkauft gar kein Label-Fleisch. Migros und Coop haben immerhin 60 Prozent aus Label- oder Bioproduktion. Und Spar verkauft an allen Offentheken nur Label-Fleisch. SRF

Die Hälfte des Schweizer Rindfleisches geht in den Detailhandel. Eine Umfrage von «Kassensturz» bei den grössten Detailhändlern zeigt: Bei Coop und Migros liegt der Anteil an Label- und Bio-Fleisch bei 60 Prozent. Tendenz zunehmend.

Auch Volg verkauft um die 60 Prozent Label-Fleisch. Denner verzichtet nach eigenen Angaben bewusst auf Label-Produkte und verkauft nur konventionelles Fleisch. Auch Aldi biete wegen der preissensiblen Kundschaft nur 5 Prozent Fleisch aus Label-Produktion, so der Discounter.

Spezialfall Lidl

Der Discounter Lidl verkauft zu hundert Prozent Fleisch von Bauern, die am Programm für besonders tierfreundliche Stallhaltung (BTS) teilnehmen. Sie gewähren ihren Mastrindern Einstreu – und erhalten für diese Mehrarbeit Subventionen.

Mehr Platz oder Auslauf haben aber auch diese Tiere nicht. Die Anforderungen des BTS-Programmes liegen nur knapp über den Minimalstandards des Tierschutzgesetzes.

Gastronomie: Tierwohl keine Priorität

Die andere Hälfte des Schweizer Rindfleisches landet in der Gastronomie. Dort stammen sogar über 80 Prozent aus konventioneller Produktion. Doch der Trend geht auch da Richtung Label und Bio.

«Wenn wir unseren Gästen die Vorzüge von Label-Fleisch erklären und diese bereit sind, etwas dafür zu bezahlen, dann können wir den Anteil in Zukunft noch steigern», sagt François-René Maeder, Mitglied der Präsidentenkonferenz von Gastro Suisse.

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Studiogespräch mit Beat Wechsler vom Bundesamt für Veterinärwesen
Aus Kassensturz vom 19.11.2013.
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