Privatpersonen bauen für gewöhnlich ein Mal im Leben. Bei der Erfüllung ihres Traums vom Eigenheim sind diese Einmal-Bauherren meist von der Materie überfordert, verstehen oft nicht, was sie mit den Bauverträgen im Detail unterschreiben.
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«Das heutige Baurecht nimmt auf private Bauherren keine spezifischen Rücksichten. Es gelten beim Bauen die gleichen gesetzlichen Regelungen, wie wenn ich als Kunde zum Coiffeur gehe oder ein Fahrrad reparieren lasse», hält Hubert Stöckli fest, Professor am Institut für Schweizerisches und Internationales Baurecht der Universität Freiburg.
Das Gesetz muss Einmal-Bauherren besser schützen, findet auch der Bundesrat. Er hat deshalb Baurechtsprofessor Hubert Stöckli beauftragt, ein Gutachten zu erstellen. Auf dessen Grundlage will der Bundesrat eine Gesetzesrevision erarbeiten und in die Vernehmlassung schicken.
Haftungsausschluss bei Stockwerk-Eigentum
Die Dringlichkeit einer Gesetzesrevision zeigt sich schon nur anhand der zahlreichen Bauherren, die sich verzweifelt an die «Kassensturz»-Redaktion wenden. Achim B. zum Beispiel bezog vor drei Jahren im Kanton Basel-Land eine Eigentumswohnung. Seither kämpft er um die Behebung zahlreicher Mängel im Wert über rund 40‘000 Franken.
«Doch von den zehn Firmen, mit denen wir uns inzwischen herumschlagen müssen, fühlt sich niemand verantwortlich», stellt Achim B. enttäuscht fest. Das Problem: Die Firma Matisse AG, welche die Wohnung an die Familie B. verkauft hat, verweise für die Mängelbehebung an das Generalunternehmen HRS.
Dieses wiederum verweise an die Handwerker, welche sich der Sache nicht annehmen wollten, weil sie nicht Vertragspartner der Käuferschaft seien, ärgert sich Achim B.: «Ich fühle mich wie ein Ping-Pong-Ball: Hin und her, hin und her, doch langsam habe ich die Schnauze voll.»
Baurechtsexperte Hubert Stöckli ortet ein verbreitetes Problem: «Gerade beim Erwerb von Stockwerkeigentum nimmt sich der Generalunternehmer im Vertrag häufig aus der Haftung», erklärt Hubert Stöckli. Dem Käufer werden im Gegenzug sämtliche Mängelrechte abgetreten, die er gegenüber den Handwerkern geltend machen kann.
Das hat zur Folge, dass sich der Bauherr plötzlich mit 30 Handwerkern herumschlagen muss, anstelle des einen Vertragspartners, dem er alle Zahlungen geleistet hat. «Das ist ein grosser Missstand, und ich bin der Meinung, der Gesetzgeber müsste solche Vertragsklauseln unterbinden», fordert Hubert Stöckli.
Politischer Widerstand
Im Bundeshaus regt sich Widerstand gegen eine Ergänzung des Baugesetzes. Die Konsumenten seien heute schon genügend geschützt, findet Martin Schmid, Präsident des Verbands der Schweizerischen Generalunternehmer und FDP-Ständerat: «Wir befürchten, dass die Baurechtsreform zu einer Überregulierung führen wird, die letztlich eine Verteuerung des Bauens zur Folge hätte.»
Martin Schmid verweist auf die Norm 118 des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA). Diese regelt die Vertragsbedingungen zwischen Bauherren und Generalunternehmen - allerdings auf freiwilliger Basis.
Diese gingen schon viel weiter als das geltende Recht. So habe der Bauherr laut SIA die Möglichkeit, innerhalb zweier Jahre die Mängel zu rügen. Es sei am Unternehmen zu beweisen, dass er für diese Mängel nicht aufzukommen hat. «Diese Beweislastumkehr schützt den Bauherren. Sie müssen aber darauf achten, dass die SIA-Normen Teil des Bauvertrages sind», betont der Politiker.
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Über andere Erfahrungen berichtet Willy S. Er und seine Frau haben vor zwei Jahren ein neues Haus im Kanton Aargau gekauft. Die Mängelliste umfasse rund 50 verschiedene Punkte, Willy S. schätzt die Schadenssumme auf rund 40‘000 Franken.
Im seinem Werkvertrag wird zwar explizit auf die SIA-Normen als Vertragsgrundlage hingewiesen. «Trotzdem weigert sich der Generalunternehmer die SIA-Normen anzuwenden, weil im Vertrag die Rangordnung von Priorität sei. Und da die SIA-Normen in unserem Vertrag nicht unter Punkt 2.1 sondern unter 2.8 erwähnt sind, will er davon nichts wissen, auch von der Beweislastumkehr nicht», klagt Willi S.
Schutz auch im Konkursfall
Laut Baurechtsexperte Hubert Stöckli sollten solche Vertragsunsicherheiten im neuen Gesetz nicht mehr möglich sein: «Die Beweislastumkehr ist ein sehr grosser Vorteil zugunsten der Bauherren», sagt der Baurechtsexperte.
Gleiches gelte auch für die Mängelrüge-Frist: Denn heute müssen Bauherren Mängel sofort dem Unternehmen melden, die SIA-Norm 118 lässt den Bauherren wesentlich mehr Zeit. Deshalb schlägt Hubert Stöckli dem Bundesrat vor: «Die beiden Vorteile sind so gross, dass ich der Meinung bin, man müsste sie ins Gesetz aufnehmen, und zwar in zwingender Form, damit Verträge nicht mehr davon abweichen können.»
Ganz schlecht ergangen ist es Reto K. Der Verkäufer seines Hauses hat im Oktober Konkurs angemeldet – mit weitreichenden Folgen für den Hausbesitzer: «Der Konkurs unseres Generalunternehmens, der Stellahaus, heisst für uns, dass wir mit diversen offenen Rechnungen von Handwerkern eingedeckt werden. Wir rechnen mit offenen Rechnungen über rund 25‘000. Obschon wir alle Zahlungen bereits der Stellahaus geleistet haben.»
Bauherren in der Verantwortung
Baurechts-Experte Hubert Stöckli ortet auch hier Schwächen im Schweizer Baurecht und verweist auf Deutsches Recht: «Wer einen Bauvertrag eingeht, geht damit auch ein erhebliches finanzielles Risiko ein. Davor kann man sich schützen, in dem man das Generalunternehmen dazu verpflichtet, eine Bankgarantie zu stellen: So bleibt dem Bauherren Etwas auch nach dem Konkurs des Unternehmens.»
In dieser Hinsicht sei das deutsche Recht vorbildlich, das eine solche Garantie gegenüber dem Bauherren zwingend vorschreibe.
Auch das neue Baurecht nimmt Bauherren aber nicht aus der Verantwortung: Wer bauen will ist gut beraten, vor Vertragsunterzeichnung verschiedene Offerten einzuholen, Referenzobjekte anzusehen und sich bei dessen Besitzer über die Erfahrungen mit dem jeweiligen Generalunternehmen zu informieren. Damit das Traumhaus nicht zum Albtraum wird.