Zum Inhalt springen
Video
Dreckiges Gold: Schweizer Firmen nehmen Raubbau in Kauf
Aus Kassensturz vom 06.10.2015.
abspielen. Laufzeit 13 Minuten 56 Sekunden.

Umwelt und Verkehr Die dreckige Geschichte hinter dem glänzenden Gold

Kaum ein Konsument weiss, woher der Rohstoff für seinen Ring, die Kette, die Ohrringe stammt. Und dass die Schweiz eine Drehscheibe in Sachen Gold ist. Denn die Branche ist verschwiegen. Mit gutem Grund, wie Recherchen von «Kassensturz» und «ZDF-Zoom» zeigen.

Vier der weltweit grössten Goldschmelzereien stehen in der Schweiz: Argor Heräus, Metalor, Pamp und Valcambi. Sie verarbeiten pro Jahr tonnenweise Gold. Ein wichtiger Lieferant für die Schweizer Raffinerien ist Peru. Dort liegt die grösste Goldmine Lateinamerikas – die Yanacocha Mine. 70 Prozent des Goldes, das in Yanacocha gefördert wird, verarbeitet die Schweizer Raffinerie Valcambi.

Hochgiftige Abfall-Flüssigkeit

In Yanacocha wird das Gestein aus dem Boden gesprengt und fein gemahlen. Um das Gold aus dem Sand zu lösen, braucht es dann eine giftige Zyanidlauge. Die Flüssigkeit wird in eine Scheideanlage gepumpt, wo das Gold in einem chemischen Verfahren getrennt wird, bevor Mitarbeiter es zum Abtransport in Goldbarren giessen. Die hochgiftige Restflüssigkeit muss aufwendig gereinigt werden.

Verschmutztes Trinkwasser

Dies klappt nicht immer: Die Bewohner des Dorfes San José, einem Nachbardorf der Mine, haben grosse Probleme: Bis vor kurzem holten sie ihr Trinkwasser aus dem Dorfbach. Dies geht jedoch nicht mehr: Aus einer Deponie der Yanacocha-Mine fliesst verschmutztes Wasser in das Dorf.

«Wir können das Wasser nicht einmal mehr zum Waschen gebrauchen. Unsere Kinder reagieren mit Durchfall und Ausschlägen», sagt Dorfbewohnerin Margarita Castrejón Flores.

Tote und Verletzte bei Demonstrationen

Fairtrade-Gold im «Espresso»:

Box aufklappen Box zuklappen

Die Anwohner fürchten, dass es noch schlimmer wird. Denn die Minengesellschaft plant grosse Erweiterungen in einem Gebiet mit viel Wald und vielen Seen. Die Bevölkerung leistet Widerstand gegen das Mega-Projekt. Viele Demonstrationen und Blockaden wurden von der Polizei gewaltsam aufgelöst. Dabei gab es Tote und Verletzte.

Eine lokale Menschenrechtsorganisation hat aufgedeckt, dass die Polizisten im Auftrag der Minengesellschaft im Einsatz waren. Dies belegt ein Vertrag zwischen dem Minenbetreiber und dem peruanischen Innenministerium: «Dieser Vertrag belegt, die nationale Polizei arbeitet in Uniformen und mit Waffen, die wir Steuerzahler bezahlt haben für die Minenfirma», sagt Menschenrechtsanwältin Mirtha Vasquez.

Die Schweizer Raffinerie Valcambi ist die weltweit grösste Goldschmelzerei. Valcambi bezieht einen Grossteil des Goldes aus der Yanacocha-Mine. Valcambi schreibt, Auditoren würden die Lieferkette beaufsichtigen: «Sollten Vorwürfe bezüglich des Verhaltens einer unserer Zulieferer auftauchen, fordert Valcambi vom Zulieferer, dass dieser sich zu den Vorwürfen äussert und eine gründliche Erklärung liefert.» Und: Bei der Auflösung der Blockaden und der damit verbundenen tragischen Folgen hätten die Polizisten weder unter Vertrag noch auf Anweisung von Yanacocha gehandelt. Ausserdem behauptet Valcambi, Untersuchungen der peruanischen Behörden würden belegen, dass die Verschmutzungen im Trinkwasser nicht von der Mine kämen.

Viel Gold wird illegal abgebaut

Seit 1999 wird im peruanischen Regenwald extensiv nach Gold geschürft. Über 500 Quadratkilometer Regenwald sind bereits vernichtet. Ein grosser Teil des peruanischen Goldes wird illegal abgebaut. Allein im Madre-de-Dios-Gebiet, mitten im Amazonas Regenwald, suchen 80'000 Kleinschürfer nach Gold. Um das Gold aus dem Schlamm zu filtern, brauchen sie das hochgiftige Schwermetall Quecksilber.

Stundenlang rühren sie die quecksilberhaltige Brühe mit ihren nackten Beinen in Tonnen. Dann waschen sie den Inhalt aus, bis nur noch die goldhaltige Amalgam-Mischung übrig bleibt. Was sie nicht bemerkten: Das Schwermetall zerstört nicht nur die Umwelt massiv, sondern schädigt auch den Körper schleichend.

Illegales Gold in der Schweiz verarbeitet

Damen-Armbanduhr aus Gold.
Legende: Die Schweizer Industrie ist ein wichtiger Gold-Abnehmer. SRF

Der Leiter der peruanischen Zollbehörde, Gustavo Romero Murga, erklärt, fast alles Gold aus dem Regenwald sei illegal. Ein Rechtshilfegesuch an die Schweizer Justizbehörde sei gerade in Arbeit, weil ein grosser Teil dieses Goldes von Schmelzereien in der Schweiz verarbeitet werde. «Den ausländischen Käufern wird dieses Gold als legales Gold verkauft. Doch diese Legalität existiert nur auf dem Papier. Wenn man nur ein kleines bisschen tiefer gräbt, erkennt man die Probleme.»

Christoph Wiedmer von der Gesellschaft für bedrohte Völker kennt die offiziellen Dokumente der peruanischen Zollbehörde. Diese belegen: Tonnenweise Gold aus der Region Madre de Dios wurden in der Schweiz verarbeitet: «Wir haben zum Beispiel festgestellt, dass gerade die Schmelzerei Metalor über eine grössere Zeit Gold importiert hatte von Produzenten, von denen man weiss, dass sie in Madre de Dios aktiv sind. Sogar das Umweltministerium hat bestätigt, die ganze Goldproduktion im Madre-de-Dios-Gebiet ist illegal.» 2012 hätten peruanische Medien darüber berichtet. Doch habe es weitere 1,5 Jahr gedauert, bis Metalor Konsequenzen gezogen hat und nicht mehr direkt von dort importiert hat. «Wir wissen jedoch nicht, ob sie die Importe wirklich gestoppt haben. Denn die Firmen verschwinden einfach, das Gold wird weiter produziert. Wir wissen nicht, wo es heute landet», sagt Christoph Wiedmer im «Kassensturz».

Verschwiegene Schmelzereien

Metalor schreibt, sie würden kein Gold aus der Madre-de-Dios-Region beziehen, sondern nur von professionellen, offiziell registrierten Firmen. Die Quellen gibt Metalor jedoch nicht bekannt. Aus «Sicherheitsaspekten», wie die Schmelzerei schreibt. «Wir kennen und prüfen jede Mine. Darüber hinaus führen wir eigene Kontrollen mit regelmässigen Besuchen vor Ort durch.»

Keine der vier grossen Schmelzereien öffnet dem «Kassensturz»-Filmteam ihre Türen. Sie schreiben jedoch alle, sie würden sich an Gesetze, OECD-Richtlinien, die Anti-Geldwäsche-Gesetzgebung halten, seien mehrfach zertifiziert und würden die Herkunft des Goldes genau kennen.

Christoph Wiedmer fordert, dass die Goldbranche nicht mehr im Versteckten geschäften kann. Es brauche mehr Transparenz – von der Mine bis zum Schmuck: «Es muss offengelegt werden, woher dieses Gold wirklich kommt. Dafür braucht es verbindliche Vorgaben für die Schmelzereien.»

Behörde will keine Richtlinien

Dazu sagt die Chefin des Staatssekretariates für Wirtschaft Seco, Marie-Gabrielle Ineichen Fleisch: «Wir haben bereits verschiedene Initiativen für mehr Transparenz im Goldabbau: Es gibt eine Anleitung der OECD für diese Unternehmen. Zudem unterstützen wir in einem Pilotprojekt Kleinschürfer in Peru, damit sie ihr Gold so abbauen und vorbereiten können, dass es in der Schweiz und in Europa als nachhaltiges und faires Gold verkauft werden kann.»

Eine Transparenzpflicht für Schweizer Goldschmelzereien mache keinen Sinn: «Wir könnten schon Pioniere sein und strenge Auflagen machen. Das Problem ist dann aber, dass das Gold über andere Länder wie zum Beispiel Dubai gehen würde, nicht mehr über die Schweiz. Dies würde den Kleinschürfern in Peru nicht helfen.»

Fair-Trade-Gold kaum bekannt

Es gibt in der Schweiz bereits die Möglichkeit, Fair-Trade-Gold zu kaufen. Dies zum Beispiel bei Coop, Christ und bei speziellen Juwelieren. Doch für den Grossteil des Goldes bleibt es dabei: Die Geschichte hinter dem glänzenden Gold ist die von Raubbau am Menschen und an der Natur.

2010 berichtete «Kassensturz» über miese Arbeitsbedingungen und Umweltverschmutzung beim Goldabbau in Afrika:

Video
26.10.2010: Miese Arbeitsbedingungen, verseuchte Natur
Aus Kassensturz vom 26.10.2010.
abspielen. Laufzeit 16 Minuten 10 Sekunden.

Meistgelesene Artikel