2012 hat die Welt 136 Millionen Tonnen Meerfische und -früchte verzehrt. In 20-Tonnen-Wagons verladen, entspräche das einem Güterzug, der zweimal um die Erde reicht. Viele Fischarten drohen diesen globalen Protein-Hunger mit ihrem Aussterben zu bezahlen.
Für Rüdiger Badruss sind die Probleme schnell benannt. Der Leiter Seafood bei Micarna sieht politisch und rechtlich instabile Länder als das grosse Übel. Dort wo ethische Grundsätze und eine funktionierende Handelskontrolle fehlen würden, argumentiert der Fischerei-Experte des Migros-Konzerns in der SRF Gesprächssendung «Club», laufe die Fischerei sprichwörtlich aus dem Ruder.
Leere Meere und Sushi im Hochgebirge
Wie radikal dies im Augenblick der Fall ist, zeigt der alle zwei Jahre publizierte Weltfischerei-Bericht.Laut Experten der «Food and Agriculture Organization of the United Nations» FAO sind
- 32 Prozent der weltweit kommerziell genutzten Fischbestände überfischt.53 Prozent werden maximal genutzt.
- In europäischen Gewässern sieht es noch übler aus. Im Atlantik sind 63 Prozent der Speisefischbestände überfischt und im Mittelmeer sogar 82 Prozent.
Zwar gibt es seit vielen Jahren Fangrichtlinien, aber laut einer Studie der Weltbank aus dem Jahr 2012 hält sie kaum jemand ein. 34 der 53 Fischfangnationen setzen vereinbarte Nachhaltigkeits-Kriterien gerade mal zu 40 Prozent um.Ein grosses Übel bleibt auch die illegale Fischerei. Bis zu einem Drittel aller Fänge geht laut FAO auf das Konto von geschätzten 2700 Trawlern ohne Lizenz.
Keine Ahnung mehr vom Essen
Im Jahr 2012 sind weltweit in der Fischerei und der Zucht von Fischen 130 Milliarden Dollar umgesetzt worden. Allein in den letzten 50 Jahren hat sich der weltweite Pro-Kopf-Konsum verdoppelt.
Aber die Tatsache, dass sich der Verzehr von ungekochtem Fisch innerhalb von 10 Jahren vom landläufig kulinarischen Alptraum zum globalen Hype entwickelt hat, lässt sich für die Ethnologin und Kulturexpertin Mareile Flitsch nicht allein durch die Zunahme von Fischerbooten erklären.
Zum einen sicher entscheidend sei die Erfindung von Kühlketten gewesen. Sie hat dem schnellen Verderben der Ware einen Riegel geschoben. Aber ebenso wichtig sei der Umstand, dass der Durchschnittsesser von heute kaum noch eine Ahnung von seinem Essen habe, sagt die Direktorin des Völkerkundemuseums der Uni Zürich im «Club» von SRF. Vor diesem Hintergrund werde der Konsument anfällig für die Verheissungen eines aggressiven Livestyle-Marketings. Das habe die Sushi-Welle mit verursacht.
Streit schlichten und Konsum verringern
Internationale Nahrungsmittelkonzerne, die mit gigantischen Schleppnetzen die Weltmeere absieben. Korrupte Nationen, die sich einen Deut scheren um gemachte Vereinbarungen. Und eine Masse kompetenzfreier Konsumenten, die Meerfische in sich hinein schaufeln, als wären es Kartoffelchips. Wie angesichts dieser geballten Problematik der rote Thunfisch beispielsweise am finalen Verschwinden gehindert werden kann, lässt sich nicht eindimensional beantworten.
Der Besitzer des Zürcher Sushi-Anbieters Yooji’s setzt auf Eigenverantwortung. Er ist dahin gereist, wo sein Fisch herkommt. So stellt er sicher, dass kein Fisch aus nicht nachhaltigen Quellen auf die Teller seiner Gäste kommt. Ob das bereits reicht, bezweifeln verschiedene Umweltexperten.
Peter Jossi plädiert für ökologisch-soziale Nachhaltigkeit im Bereich Wildfang und Aquakultur (Fischzucht). Damit meint das Vorstandsmitglied der Umweltorganisation «Fair Fish» die Erhaltung der Bestände und umweltschonende Fangmethoden. Das alles funktioniert für Jossi aber nur, wenn auch der Konsument Verantwortung trägt. Und auch die Umwelt-Label selbst können nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen, wollen sie die eben erlangte Glaubwürdigkeit nicht wieder verspielen.
Dass sich Organisationen wie Greenpeace, WWF und Fair Fish über die Tauglichkeit der von ihnen propagierten Nachhaltigkeits-Labels in die Haare geraten, ist einer raschen Bewusstseins-Änderung auf Seiten der Konsumenten sicherlich nicht zuträglich. Sicher bleibt bei all dem Hin und Her: Wenn wir so weiter machen, werden wir das zu teuer bezahlen.
Diesen Meerfischen geht es besonders schlecht
Im Urlaub am Mittelmeer Fische essen – kein Problem. Denken viele. Doch das ist weit gefehlt. Nicht wenige der vermeintlich aus dem Mittelmeer stammenden Köstlichkeiten auf Hoteltellern haben eine Reise um den halben Planeten hinter sich. Und was tatsächlich aus dem Mittelmeer kommt, ist in den meisten Fällen heillos überfischt. Unsere kleine Bildergalerie gibt Ihnen die wichtigsten Infos zu den gefährdetsten Speisefischen unserer Meere.
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Bild 1 von 13. Der Lachs – früher einmal ein Essen für die Armen – leidet unter einem bespiellosen Boom, der schon Jahrzehnte andauert. Kommt er aus Zuchten im Atlantik, Finger weg; entflohene Zuchtlachse verdrängen wilde Artgenossen und verbreiten Krankheiten. Futterreste und Fäkalien verschmutzen das Wasser. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 13. Rund ein Viertel aller weltweit verzehrten Garnelen oder auch Shrimps genannt, stammen aus meist ruinösen Aquakulturen. Ganze Mangroven-Wälder werden für die Zucht der kleinen Tierchen vernichtet. Beim Wildfang entsteht ein weggeworfener Beifang-Anteil von bis zu 10 Kilo pro 1 Kilo Schrimps. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 13. Der Scholle geht es wie der Seezunge: beide Arten sind sehr stark überfischt und gehören nicht mehr auf den Teller eines umweltbewussten Fisch-Gourmets. Bildquelle: 4028mdk09.
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Bild 4 von 13. Viele dieser Thunfische werden inzwischen gefangen, wenn sie noch klein sind. In Farmen werden sie gemästet und später auf den Weltmarkt geworfen. Gefüttert werden sie mit anderen Meerfischen, was ihre Ökobilanz nochmals verschlechtert. Bildquelle: Reuters.
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Bild 5 von 13. Sardellen, die kleinen Brüder der Pizza, bilden grosse Schwärme, die über die halbe Erdkugel ziehen. Ihre Bestände sind zwar an vielen Orten nicht akut gefährdet, aber wegen des massiven Beifangs sollten auch Sardellen mit Verstand genossen werden. Bildquelle: Etrusko25.
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Bild 6 von 13. Tintenfische, auch Calamares genannt sind die Könige der Tiefkühltruhen. Kaum ein Fertiggericht, das es nicht in Kombination mit Tintenfischen zu kaufen gäbe. Von der Pizza bis zu den Spaghetti, Calamares gehören dazu. Der Druck auf die Populationen ist enorm. Bildquelle: Keystone.
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Bild 7 von 13. Der Zackenbarsch, wie der Rotbarsch, leben in grosser Tiefe (bis zu 1000 m). Da die Tiere bis 75 Jahre alt werden können, setzt ihre Geschlechtsreife auch erst sehr spät ein. Dadurch sind alle Bestände stark überfischt. Bildquelle: Ginkgo100.
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Bild 8 von 13. Seezungen werden mit sogenannten Schleppnetzen gefangen, wodurch der Meeresgrund stark beschädigt wird. Beifang der Seezunge ist in grossem Stil die Scholle. Sie stirbt und wird wieder über Bord geworfen. Bildquelle: Reuters.
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Bild 9 von 13. Auch die Situation der Dorade ist sehr kritisch. Sehr beliebte Mittelmeerarten stammen meist aus Aquakulturen. Griechenland ist grösster Exporteur. Der massive Einsatz von Antibiotika macht den Verzehr der auch Goldbrasse genannten Fische mehr als zweifelhaft. Bildquelle: Reuters.
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Bild 10 von 13. Die Fangmethoden für den Wolfsbarsch werden von allen Umwelt-Labels als bedenklich eingestuft. Nicht selten ersticken die Tiere jämmerlich. Und mit ihnen viele Delphine, da die Wolfsbarsche zu ihrer Nahrung gehören. Bildquelle: Keystone.
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Bild 11 von 13. Die Kraken gehören zu den intelligentesten Tieren der Erde. Sie werden dabei gerne mit Ratten verglichen. Die meisten Kraken auf unseren Tellern stammen aus dem Mittelmeer. Durch den hohen Fangdruck sind sie heut meist massiv kleiner als noch vor 30 Jahren. Bildquelle: Reuters.
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Bild 12 von 13. Den Zustand der Seehecht-Populationen bezeichnen die Umwelt-Labels unisono als katastrophal. Auf seinen Verzehr sollte auch im Urlaub nach Möglichkeit verzichtet werden. Seehecht in Tiefkühlkost kommt oft aus Südamerika. Internationale Vereinbarungen werden da besonders grosszügig ausgelegt. Bildquelle: DrawMale.
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Bild 13 von 13. Schwertfische gelten im Nordatlantik als «gefährdet» und sollten auf dem Urlaubs-Fischteller nicht vorkommen. Die Jagd nach ihnen mit Langleinen verursacht einen überdurchschnittlich hohen Beifang von bis zu 40 Prozent. Haie, Delfine, Schildkröten und Vögel, fallen jährlich millionenfach der Fischerei zum Opfer. Bildquelle: Citron.