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Massenzucht statt Fischparadies: Das ASC-Label in der Kritik
Aus Kassensturz vom 20.09.2016.
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Umwelt und Verkehr Massenzucht statt Fischparadies: Das ASC-Label in der Kritik

Fisch boomt und immer mehr Leute essen Zuchtfisch. Das Label ASC verspricht eine nachhaltige Fischzucht. Die «Kassensturz»-Reportage zeigt die Realität auf einer typischen ASC Fischfarm: industrielle Massenproduktion mit grossem Einsatz von Genfutter, Hormonen und stundenlangen Tiertransporten.

Schauplatz: Der Tobasee auf Sumatra, entstanden durch eine gewaltige Vulkanexplosion vor vielen tausend Jahren. Der Kratersee ist doppelt so gross wie der Bodensee und bis 500 Meter tief. Hier in Indonesien betreibt der Schweizer Rudolf Lamprecht seit fast 20 Jahren eine Tilapia-Fischzucht.

Tilapia, der tropische Süsswasserfisch ist vor allem in den USA und in Asien gefragt, die Nachfrage steigt auch in der Schweiz. Der Unternehmer zeigt dem Kassensturz-Reporter seine ASC-zertifizierte Fischfarm. Sie besteht aus über 300 Netzgehegen, jedes mit 18 Meter Durchmesser. Täglich fischen die Mitarbeiter über 100'000 Fische aus diesen Netzen.

Alternativen zu dieser Massenproduktion kann sich Rudolf Lamprecht von Regal Springs AG nicht vorstellen: «Wenn Sie exportieren wollen, können Sie es gar nicht klein machen. Alleine schon wegen der ganzen Logistik.» Die intensive Zucht birgt allerdings Probleme für Fische, Bevölkerung und Umwelt.

Kritikpunkt 1: Einsatz von Geschlechtshormonen

Die Massenzucht hat Konsequenzen für die Fische: Damit sie schneller wachsen, werden die Tiere im ersten Lebensmonat vermännlicht. Dazu wird dem Fischfutter das Hormon Testosteron beigemischt. In den Netzgehegen von Regal Springs schwimmen also nur Männchen. Nach neun Monaten sind sie schlachtreif, die Hormone könnten dann nicht mehr nachgewiesen werden, erklärt Fischunternehmer Rudolf Lamprecht im Interview mit «Kassensturz».

Kritikpunkt 2: Hohe Sterblichkeit

Von den vielen tausend Fischen, welches als wenige Gramm schwere Tiere in die Netze gelassen werden, sterben ca. 25 % noch vor Schlachtreife - unter anderem wegen Infektionskrankheiten. Die Industrie habe das Problem erkannt, sagt Rudolf Lamprecht: «Man ist dran, gute Impfungen zu entwickeln, das ist aber noch im Jungstadium.»

Kritikpunkt 3: Phosphat im Fischfutter

Jeden Tag landen über 200 Tonnen Fischfutter in der Regal-Springs-Fischfarm im Toba-See. Für 1 Kilo Fisch braucht es ca. 1,8 Kilo Fischfutter. Dieses enthält Bestandteile aus aller Welt: Etwa Gensoja aus Südamerika und Fischmehl aus Resten der Lachsindustrie in Norwegen. Problematisch: Fischmehl enthält Phosphat. Zuviel davon belastet den See, der Sauerstoff wird knapp. Vor einem halben Jahr drohte der See zu kippen. Ein grosser Teil der lokalen Bevölkerung fordert, dass die Regal-Springs-Fischfarm den Betrieb einstellt.

Für Unternehmer Lamprecht ist das keine Option. Er sei bei weitem nicht der einzige, der den See belaste. Und: «Die Wasserqualität wollen wir so behalten wie sie ist. Das ist unsere Zukunft. Schlechtes Wasser, schlechte Fische, schlechtes Business.» Lamprecht lässt einen Wissenschaftler der holländischen Universität Wageningen regelmässig die Wasserqualität prüfen. Trotz intensiver Zucht, seien alle Werte aktuell im grünen Bereich, erklärte der Unternehmer.

Kritikpunkt 4: Tierwohl bleibt bei ASC auf der Strecke

Nach neun Monaten im Netzgehege sind die Tilapia schlachtreif. Eine Fischpumpe saugt sie aus dem Netz und spuckt sie in ein Floss. Die letzten Stunden vor der Schlachtung sind für die Tilapia eine Tortur. Die Fische kommen aus dem Wasser aufs Förderband und landen im Tanklastwagen. Dieser bringt sie auf einer vierstündigen Fahrt über holprige Strassen und bei tropischen Temperaturen zur Fabrik.

«Kassensturz» zeigt diesen Tiertransport dem Fischexperten Heinzpeter Studer der Organisation «Fairfish». Er ist schockiert: «Würde den Fischen nicht permanent Sauerstoff zugefügt, würden die Fische diesen Transport nicht überleben. Das widerspricht sogar dem ASC-Label. Fische kommen sicher nicht gesund an.» Dieser Einschätzung widerspricht Rudolf Lamprecht: Seine Fische seien gesund, sie müssten nicht leiden: «Wir haben im Lastwagen genügend Sauerstoff, der Fisch kann mit einer gewöhnlichen Frequenz atmen.»

Nach der Ankunft bei der Fabrik fliesst kaltes Wasser in den Lastwagentank. Die Tropenfische unterkühlen und verlieren nach und nach ihre Empfindungsfähigkeit. Der Transport vom Lastwagen auf die Schlachtbank dauert 20 Minuten. Dort töten Schichtarbeiter die Tiere per Gurgelschnitt – sie durchtrennen den Fischen die Hauptschlagader.

Kritikpunkt 5: Hoher Energieverbrauch

Die Weiterverarbeitung ist energieintensiv. Der getötete Fisch muss permanent gekühlt werden. Pro Kilo Fisch braucht es über ein Kilo Eis, das ergibt eine tägliche Menge von 175 Tonnen! Am Schluss wird das Fischfleisch abgepackt und schockgefroren. Bereit für die Kühlcontainer und den Versand in die ganze Welt. Konfrontiert mit dem immensen Energiebedarf seiner Produktion entgegnet Rudolf Lamprecht: «Auf das Kilo Fisch runtergerechnet, sind wird energieeffizienter und klimaschonender als manch kleinere Fischzuchten.» Und vom Fisch werde alles verarbeitet: von den Filets bis zu den Schuppen.

Tilapia auch in der Schweiz – «Aquaponic» macht’s möglich

Die Firma Ecco Jäger in Bad Ragaz beliefert die Bündner Gastronomie mit Tiefkühlprodukten, Früchten und Gemüse. Seit diesem Jahr neu im Sortiment der Tilapia, auch bekannt unter dem Namen rosé Barsch. In schwarzen Bottichen schwimmen tausende von Fischen, nach neun Monaten sind sie schlachtreif. Permanent braucht der Tropenfisch 30 Grad warmes Wasser. Die erforderliche Energie stammt von der Abwärme des Tiefkühllagers des Unternehmens. Der Kreislauf geht noch weiter: Die nährstoffreichen Abwässer aus der Fischzucht liefern Dünger fürs Gemüse im Treibhaus auf dem Firmendach. «Aquaponic» nennt sich die raffinierte Kombination von Fischzucht und Gemüse-Anbau. Noch handelt Ecco Jäger vor allem mit Gemüse und Tiefkühlprodukten. Aber die Tilapia-Zucht liefert jährlich immerhin schon 18'000 Fische, doppelt so viel Fisch wie der Walensee her gibt.

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