Der Schein trügt: Pferde weiden auf weiten Feldern und Wäldern mit unendlich viel Platz in Uruguay in Südamerika. Die meisten Stuten sind trächtig. Doch sie werden ihre Fohlen nicht gebären. Interessant ist nur ihr Blut. Die Pferdefarmen machen damit ein Geschäft, die Pharmaindustrie stellt ein Medikament her, das nur einem Zweck dient: Der Intensivierung der Schweinemast in Europa – auch in der Schweiz. Das Hormonpräparat aus dem Stutenblut soll beispielsweise in der Schweinemast helfen, dass Muttersauen nach dem Wurf möglichst schnell wieder trächtig werden.
Diesen perversen Kreislauf haben Mitarbeiter des Tierschutzbunds Zürich aufgedeckt. Wochenlang haben sie im letzten Frühling die Zustände auf Blutfarmen in Argentinien und Uruguay recherchiert.
Auf Kopf geprügelt, bis sie ruhig gestellt sind
Die Branche ist verschwiegen, die Farmen werden oft verdeckt betrieben. Trotzdem konnten die Tierschützer Blutfarmpferde filmen, mit Mitarbeitern und Verantwortlichen sprechen. York Ditfurth vom Tierschutzbund Zürich erzählt «Kassensturz», was mit den Stuten geschieht: «Sie werden in Gruppen von Gauchos zur Farm getrieben und dort in Treibgänge rein. Das ist eine grosse Belastung für die Wildtiere, sie sind nicht gezähmt.»
Doch das Leiden beginnt erst. Auf einer Blutfarm der Firma Syntex in Argentinien filmten die Tierschützer eine Blutentnahme mit versteckter Kamera. Rund zehn Liter Blut nehmen Arbeiter den Stuten einmal wöchentlich ab. Sie schlagen die Pferde systematisch, «Da wird auf sie eingeprügelt, bis sie ruhig stehen, sie sind dann leicht betäubt, damit man ihnen die Katheternadel setzen kann. Diese ist sehr gross, sehr lang und sehr dick, damit entsprechend schnell viel Blut kommt», schildert York Ditfurth die Vorgänge.
Systematische Abtreibungen
Das Blut kommt dann in ein Labor. Man gewinnt daraus das Hormon PMSG. Aus dem Hormon PMSG stellt die Pharmaindustrie Hormonpräparate für die Tierzucht her. Zum Beispiel Folligon und P.G.600. Beide Hormonpräparate sind in der Schweiz zugelassen und kommen auch zum Einsatz.
Zehntausende Stuten dienen der Blutproduktion in Uruguay, verteilt auf wenige Farmen. Da die Stuten das begehrte Hormon PMSG nur bis zum 130. Trächtigkeitstag produzieren, wird danach der Abort eingeleitet. Diese grausame Tatsache bestätigten den Tierschützern mehrere Arbeiter und auch ein Tierarzt in Südamerika. «Und für die Abtreibung nimmt man kein Geld in die Hand, das macht man mechanisch. Der Eingriff erfolgt per Hand in die Stute, um das Fohlen abzutöten. Das ist extrem brutal für die Stuten. Zudem werden sie danach nicht medizinisch versorgt, sondern sich selbst überlassen», schildert Ditfurth dem «Kassensturz».
Stutenhormon auch in der Schweiz verbreitet
Das Hormon-Präparat P.G.600 ist in der Schweiz nur für Schweine zugelassen. Es hilft den Zuchtsauen, schneller und auf den Tag genau brünstig zu werden. Rechtzeitig zur geplanten Besamung. Das Hormonpräparat bringt Schweinezüchtern also finanzielle Vorteile. In der Schweiz leben rund 120‘000 Zuchtsauen. Etwa 12'000 Mutterschweine bekommen mindestens einmal im Jahr eine PMSG-Spritze. Nur auf Bio-Betrieben sind hormonelle Behandlungen zur Brunstsynchronisation verboten.
In Deutschland produzieren riesige Betriebe jedes Jahr Hunderttausende Ferkel. PMSG-Hormone kommen hier laut Branchenkennern systematisch zum Einsatz. Der Deutsche Schweinehalterverband bestreitet das, genaue Zahlen gibt es aber nicht. Das Hormon optimiert die Arbeitsabläufe in den Ställen, ausserdem werfen die Muttersauen dadurch auch mehr Ferkel.
Pferdemediziner: «Blutproduktion ist nicht akzeptabel»
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Tierquälerei, um die Schweizer Fleischproduktion zu optimieren. Das finden auch Tierexperten in der Schweiz verwerflich. Tierarzt Dominik Burger ist Reproduktionsspezialist am Schweizerischen Institut für Pferdemedizin von Agroscope in Avenches und der Universität Bern. «Kassensturz» zeigt dem Pferdespezialisten die Bilder aus den südamerikanischen Blutfarmen. Burger erklärt, was an der Blutentnahme in dieser Intensität kritisch ist. «Problematisch ist der Verlust an Eiweissen. Das führt bei regelmässigen Entnahmen im Wochentakt zu Anämie, zu Schwäche, Abmagerung, Muskelschwund, Fettleber, zu mehreren Krankheiten, die nachher zu solchen Bildern führen können».
Eine solche Blutproduktion dürfte in der Schweiz nur mit einer Tierversuchsbewilligung durchgeführt werden, sagt Dominik Burger. Im Wochentakt wäre dies aber vollkommen unzulässig, nicht einmal als Tierversuch. «Eine Blutproduktion in diesem Stil ist ethisch sicherlich in keiner Art und Weise akzeptabel, weil da Tiere übermässig belastet werden, wenn nicht sogar stark instrumentalisiert. Und das absurderweise für ein Medikament, das in der Produktion von Nutztieren eingesetzt wird», kritisiert der Schweizer Tierarzt.
Das sagt der Hersteller des Präparats
Der Hersteller der in der Schweiz zugelassenen Hormonpräparate ist MSD Animal Health. Auf der Homepage preist sich der Pharmahersteller als vertrauenswürdiger Partner für die Tiergesundheit an. Die Firma bestätigt die Herkunft des Hormons unter anderem aus Uruguay. MSD Animal Health bestreitet aber, von der gefilmten Blutfarm in Argentinien Blut zu beziehen und schreibt «Kassensturz»: «Um eine artgerechte Haltung der Tiere zu gewährleisten, sind alle Lieferanten angehalten, die lokal und regional geltenden Auflagen sowie die behördlichen Vorschriften einzuhalten. Dies wird durch Inspektionen der staatlichen Aufsichtsbehörden überprüft.» Ausserdem seien bei MSD zusätzliche tierärztliche Aufsichtsvorschriften verbindlich, gegenüber «Kassensturz» konnte die Pharmafirma aber nicht konkretisieren, welche das sind.
Doch: in Uruguay gibt es keine Tierschutzvorschriften für Blutfarmpferde. Dies bestätigten im letzten März zwei Veterinäre vom zuständigen uruguayischen Ministerium für Vieh-, Landwirtschaft und Fischerei den Tierschützern aus der Schweiz.
Im «Kassensturz-Studio» hat der Zentralpräsident vom Verband Suisseporcs Meinrad Pfister Stellung genommen. Das Thema sei neu für die Branche und selbstverständlich würden Schweizer Schweinefleischproduzenten solche Zustände nicht billigen. Im Gespräch gibt er aber auch einen Teil der Verantwortung den Detailhändler ab, die es in der Hand hätten über höhere Zuschüsse in ihren Labelprogrammen den Einsatz dieses Hormons zu unterbinden (siehe Video Studiogespräch).
Wenn die Stuten der Blutfarmen nicht mehr trächtig werden, wird mit ihnen noch ein letztes Mal Kasse gemacht: Sie landen zum Beispiel in den Sammelstellen des Schlachthofs Clay, im Departement Canelones in Uruguay. Von da bezieht auch der Verband der Schweizer Pferdefleischimporteure (VPI) regelmässig Fleisch. In einer Stellungnahme schreibt VPI an «Kassensturz», man habe sofort entschieden «Pferdefleisch von Pferden, welche für die Produktion von PMSG eingesetzt werden zu verbieten».