Wer den Hinflug verpasst oder nicht antritt, verliert auch der Rückflug. Mit dieser in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen AGB verankerten sogenannte Hin- und Rückflugsklausel verdienen einige Fluggesellschaften viel Geld («Kassensturz» berichtete).
Wie mehrere Rechtsprofessoren gegenüber «Kassensturz» bestätigten, ist diese No-Show-Regel juristisch nicht haltbar. Dennoch konnten geschädigte Passagiere von den Airlines kein Geld zurückfordern. Denn es gab in der Schweiz noch keinen Präzedenzfall, den ein Gericht beurteilt hätte.
Dies soll sich nun ändern: Der Schweizer Konsumentenschutz SKS hat beschlossen, einen Musterprozess gegen die Schweizer Airline Swiss zu führen («Espresso»-Beitrag «Konsumentenschutz klagt gegen Swiss»).
Das sagt das höchste Gericht in Wien
Das höchste Gericht in Österreich, der Oberste Gerichtshof (OGH) in Wien, hat die Hin- und Rückflugsklausel aber schon beurteilt. Im Jahr 2013 sprach es sich für die Passagiere und gegen die österreichische Airline AUA aus. Die österreichische Konsumenten-Organisation Verein für Konsumenten-Information VKI hatte gegen die Austrian Airlines Klage erhoben.
Das Gesetz
Der OGH schrieb in der Urteilsbegründung, dass die Hin- und Rückflugsklausel für Konsumenten «überraschend» sei. Ein Kunde rechne nicht damit, dass für einen Teil der Leistung mehr zu zahlen sei, als für die gesamte Leistung. Der OGH stellte auch fest, dass der mögliche Aufpreis eine Schlechterstellung bedeute
Passagiere, die erst nach dem Kauf der Tickets ihre Reisepläne ändern und nur eine Teilstrecke abfliegen, dürfen von Austrian Airlines daher nicht mehr mit einem Aufpreis bestraft werden.
Kurz nach dem Urteil gegen die Austrian Airlines AUA hat der Oberste Gerichtshof auch ein Urteil gegen die Deutsche Mutter-Airline Lufthansa gefällt. Genau wie bei der AUA beurteilte es die Hin- und Rückflug-Klausel der Lufthansa bei Flügen von und nach Österreich als rechtswidrig.
Ähnliche Urteile zugunsten der Fluggäste in Deutschland
In Deutschland urteilte das höchste Gericht, der Bundesgerichtshof in Karlsruhe, im April 2010 auch zugunsten der Passagiere und gegen die Lufthansa und British Airways. Es hatte eine Klage des deutschen Bundesverbandes der Verbraucherzentralen zu beurteilen, ob ein Flugschein seine Gültigkeit verliert, wenn nicht alle Flight Coupons in der angegebenen Reihenfolge genutzt werden.
Der Bundesgerichtshof entschied, dass der Fluggast entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt wird, wenn ihm das Recht genommen wird, die Beförderungsleistung nur teilweise in Anspruch zu nehmen. Der Fluggast sei grundsätzlich berechtigt, «nur einen Teil der ihm vertraglich zustehenden Gesamtleistung vom Schuldner zu fordern, sofern nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegensteht», urteilte das höchste deutsche Gericht.
Doch die Fluggesellschaften gaben nicht klein bei: Stand ein Passagier am Gate des Rückflugs, der den Hinflug nicht angetreten hat, durfte er neuerdings nicht mehr grundsätzlich abgewiesen werden.
Die Airlines beriefen sich aber auf Ihr Recht, ihm vorher einen markanten Preisaufschlag für einen One-Way-Flug abzuknüpfen, bevor er an Bord durfte. Und Einwegflüge sind bekanntlich oft fast so teuer wie Retour-Flüge. Zudem wird der Einweg-Tarif zum Zeitpunkt der Buchung des ursprünglichen Tickets verrechnet. Dieser ist für den Passagier kaum zu überprüfen und somit intransparent.
BGH-Urteil vom 29. April 2010 - Xa ZR 5/09