Forscher haben sie schon im Wasser, im Honig und in der Milch gefunden: Mikroskopisch kleine Plastikkügelchen. Der Verdacht: Das Plastik stammt aus Pflegeprodukten wie Duschgels, Peelingcremes oder Zahnpasta. Das sogenannte Mikroplastik gelangt über das Abwasser in die Umwelt und verteilt sich dort.
Schweizer Wissenschaftler sind über diese Entwicklung besorgt. Auch Professor Bernhard Wehrli Bernhard Wehrli von der EAWAG, dem Wasserforschungsinstitut der ETH, sagt im Interview mit «Kassensturz», Plastik sollte man recyclen oder verbrennen - und nicht ins Wasser spülen.
Warum ist Mikroplastik aus Kosmetika ein Problem?
Verbrauchter Plastik wird in der Schweiz normalerweise mit dem Abfall verbrannt. Der Mikroplastik aus der Kosmetik gelangt allerdings übers Lavabo ins Abwasser, dann in Seen und Flüsse und am Schluss ins Meer. Die Entsorgung im Wasser ist somit der kritische Punkt.
Warum?
Plastik wird im Wasser nicht abgebaut. Er schwebt und setzt sich nicht ab. Problematisch ist, dass er von Wassertieren aufgenommen wird. Kleinere Partikel werden von Plankton-Organismen oder Muscheln aufgenommen. Der Kleinst-Plastik bleibt in den kleinen Wasserorganismen hängen und verstopft deren Verdauungstrakt.
Reinigen die Kläranlagen zu wenig gut?
Die Kläranlagen wurden nicht entwickelt um Plastik zurückzuhalten. Plastik sollte recyclet oder verbrannt werden. In der Kläranlage bleibt nur ein Teil im Klärschlamm hängen und wird dann verbrannt. Ein Teil kommt mit dem Überlauf in die natürlichen Gewässer. Es wäre völlig unsinnig und sehr teuer, wegen ein paar Kosmetika ganze Kläranlagen aufzurüsten.
Also am besten das Problem an der Quelle beheben.
Ja, Plastik in Kosmetika ist absolut sinnlos. Es gibt seit langem biologisch abbaubare Alternativen, die ebenfalls für den gewünschten Peeling-Effekt sorgen. Ich sehe nicht ein, warum heute ein Plastikprodukt zur Anwendung kommt. Es gibt allerdings auch noch andere Verursacher von Mikroplastik. Wasserleitungen aus Plastik oder Hausisolationen geben beispielsweise auch Mikroplastik ab.
Warum setzt die Industrie trotzdem auf diese Kunststoffe?
Der Mikroplastik lässt sich in grossen Mengen industriell herstellen, ist «sauber» und günstig. Aber es bleibt permanent in den Gewässer zurück.
Ist Mikroplastik gefährlicher als der grosse Plastikabfall?
Ich würde das nicht unterschieden. Grosse Plastikstücke gefährden grössere Tiere wie Fische und Vögel. Der grosse Plastik zerfällt mit der Zeit zu winzigen Teilchen und landet in der Nahrungskette von kleineren Tieren. International fordern Forscher, das Plastik als Schadstoff betrachtet wird. In vielen Ländern gelangt der Plastik im grossen Stil in die Umwelt. Weltweit handelt es sich um 250 Mio Tonnen pro Jahr. Wenn man diese Menge in Containern abfüllen würden, ergäbe das eine Gesamtlänge von dreimal dem Erdumfang.
Wie kann man das Problem lösen?
Der Plastikkreislauf musst geschlossen bleiben: Recycling oder Verbrennung. Das Problem wurde über Jahre unterschätzt. Man ging lange davon aus, Plastik ist nicht gefährlich, nicht giftig. Aber wir produzieren derart viel davon und haben erst vor kurzem realisiert, dass tonnenweise Plastik in die Umwelt gelangt und am Schluss im Meer landet. Das Meer wird zur Endlagerstelle für Plastik, das betrifft uns alle.