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Subventionen für Milchbauern: So versickern Steuergelder
Aus Kassensturz vom 03.02.2015.
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Umwelt und Verkehr Subventionen für Milchbauern: Giesskannenzahlung statt Förderung

Anstatt Gras und Heu fressen Schweizer Kühe tonnenweise Kraftfutter mit importiertem Soja. Ein Unsinn im Grasland Schweiz, findet auch der Bund, und fördert deshalb mit Direktzahlungen die Nutzung von Wiesen- und Weidefutter. «Kassensturz» zeigt: Die Subventionen dürften wenig Wirkung haben.

Mehr Gras und Heu und weniger Sojaimporte für Kraftfutter. Das will das neue Förderprogramm des Bundes für eine graslandbasierte Milch- und Fleischproduktion (GMF). Seit 2014 erhalten im Berggebiet jene Bauern Geld, die beim Futter einen Grasanteil von mindestens 85 Prozent haben. 10 Prozent Kraftfutter sind erlaubt. Im Talgebiet muss der Grasanteil 75 Prozent betragen.

Kritik an den neuen Direktzahlungen

Doch diese Anforderungen des GMF-Programms stehen in der Kritik. Von einer Förderung der graslandbasierten Milch- und Fleischproduktion könne keine Rede sein, kritisiert der Agrarökologe Andreas Bosshard, Geschäftsführer der Denkwerkstatt Vision Landwirtschaft gegenüber «Kassensturz»: «Die Anforderungen sind viel zu tief. Bei diesen Bedingungen können praktisch alle Bauern im Bergebiet mitmachen.»

Somit handle es sich um eine weitere Giesskannenzahlung, sagt Bosshard weiter. «Das war nicht die Idee dieses Programms. Es hätte einen Anreiz bieten sollen, weniger Kraftfutter einzusetzen.» Tatsächlich zeigte eine Studie der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) in Zollikofen von 2012, dass Betriebe in der Bergzone im Mittel bereits heute einen Wiesenfutteranteil von über 85 Prozent haben. Viele Betriebe erhalten also Förderbeiträge, ohne zusätzliche Anstrengungen zu leisten.

Verdoppelung der geplanten Ausgaben

Entsprechend erhöhten sich auch die geplanten Ausgaben des GMF-Programms: Sie stiegen von 50 auf 104 Millionen Franken, wie das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) mitteilte. In einzelnen Kantonen wie Graubünden oder St. Gallen haben sich fast alle Betriebe für die neuen Direktzahlungen angemeldet. Ein Grund für die hohe Beteiligung ist, dass in der Vernehmlassung die Anforderungen gesenkt wurden.

So hat der Schweizer Bauernverband dafür lobbyiert, die Voraussetzungen anzupassen. Jetzt muss der Mindest-Grasanteil im Bergebiet nur noch 85 Prozent betragen – und nicht mehr 90 Prozent wie ursprünglich geplant. Der Bauernverband verteidigt gegenüber «Kassensturz» die Vorgaben des Programms. Geschäftsleitungsmitglied Martin Rufer erklärt, es sei noch zu früh, um die Auswirkungen zu beurteilen. Er geht davon aus, dass das Programm für Bauern Anreize biete, vermehrt auf Wiesenfutter zu setzen. Es belohne Bauern, die bis anhin auf Kraftfutter verzichtet hätten. Weiter erklärt Rufer: «Wenn nur einzelne Betriebe mitmachen können, dann hat das Programm keine Wirkung und das ist sicherlich nicht das Ziel der Agrarpolitik.»

Hochleistungskühe brauchen viel Kraftfutter

Kühe an Viehschau mit prall gefüllten Eutern
Legende: Kühe mit hoher Milchleistung benötigen viel Kraftfutter mit Soja. SRF

Ein Grund für die beträchtlichen Soja-Importe sind auch Hochleistungskühe, die auf eine hohe Milchleistung gezüchtet wurden. Solche Kühe benötigen viel Kraftfutter. Der Bund fördert die Rindviehzucht mit jährlich 23 Millionen. Peter Thomet, Professor für Futterbau und Milchproduktion kritisiert die Ausrichtung der Viehzucht auf Hochleistungskühe. «Die Hochleistungskühe sind nicht gut geeignet für eine graslandbasierte Milchproduktion. Sie müssen eine hohe Jahresmilchleistung erbringen und brauchen einen hohen Kraftfuttereinsatz pro Kilo Milch.» Der Experte fordert, dass die Schweizer Viehzucht umdenkt und sich im Grasland Schweiz auf die eigenen Ressourcen ausrichtet.

Auch in wirtschaftlicher Hinsicht ist gemäss Thomet ein Umdenken angezeigt. Teures Kraftfutter für Hochleistungskühe lohnt sich für Bauern nämlich häufig nicht. Das zeigten Forscher im Hohenrain-Systemvergleich 2011. Bauern, die auf Wiesenfutter setzten, erzielten höhere Einkommen. Der Bauernverband entgegnet, dass je nachdem eine intensive Milchwirtschaft ökonomisch Sinn mache: Bei Betrieben mit wenig Grasflächen und hohen Kosten für den Stallplatz.

Der Biobauer und Agronom Andreas Melchior aus Andeer im Kanton Graubünden deckt 95 Prozent seines Futterbedarfs mit eigenem Weidefutter. Der Rest ist Kraftfutter, das aber kein Soja enthält. Er erklärt: «Das macht wirtschaftlich sehr Sinn. Ich brauche relativ wenig teures, zugekauftes Futter.» Melchior hat seine Kühe speziell gezüchtet: Sie kommen mit dem Gras und Heu aus, das der eigene Betrieb hergibt.

250‘000 Tonnen Soja importiert

2014 importierte die Schweiz insgesamt 250‘000 Tonnen Sojaschrot. Vor allem wegen hoher Preise gab es in den letzten Jahren eine Abnahme. Der Anteil von Soja aus Brasilien ist gemäss dem Soja-Netzwerk Schweiz auf 76 Prozent gesunken. Das Netzwerk erklärt, dass der Anteil an nachhaltig produziertem Soja auf 82 Prozent gestiegen sei. Doch die Vision Landwirtschaft und Greenpeace Schweiz betonen, dass Soja häufig nach wie vor unter problematischen Bedingungen und mit hohem Pestizideinsatz produziert würde.

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Studiogespräch mit Markus Ritter, Präsident Schweizer Bauernverband
Aus Kassensturz vom 03.02.2015.
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