Das Wichtigste in Kürze:
- Seit Mai 2017 gilt in der Schweiz eine Meldepflicht für Tattoo-Betriebe. Wer mit Tätowieren Geld verdient, muss sich beim zuständigen kantonalen Laboratorium melden.
- Die Behörden erhoffen sich so einen Überblick über die Schweizer Tattoo-Szene. Ziel sind regelmässige Kontrollen, ähnlich den Kontrollen von Restaurant- und Hotelküchen.
- Allerdings hapert es mit der Umsetzung: Vor allem Kleinstbetriebe würden kaum auf den Radar der Kontrollorgane kommen, bemängelt der Verband der Berufstätowierer.
- Tatsächlich haben sich seit der Einführung der Meldepflicht nur wenige Betriebe angemeldet.
Tätowierungen haben ihr Schmuddel-Image längst abgelegt. Das zeigt eindrücklich eine Studie aus Deutschland vom Herbst 2017: 20 Prozent der deutschen Bevölkerung haben demnach ein Tattoo, bei Frauen zwischen 25 und 34 sind es sogar 50 Prozent. Für die Schweiz gibt es keine aktuellen Zahlen, die Situation dürfte hier aber ähnlich aussehen.
Eine Schattenseite des Booms: Die immer grössere Tattoo-Szene in der Schweiz ist unübersichtlich. «Es gibt schätzungsweise 700 offizielle Tattoo-Studios», sagt Luc Grossenbacher, Präsident des Verbandes der Schweizerischen Berufstätowierer. Hinzu kämen etwa dreimal so viele Tätowierer, die quasi «im Hinterhof» tätowierten.
Meldepflicht soll Überblick schaffen
Mit der steigenden Nachfrage nach Tattoos gerieten die Tätowierer je länger je mehr auf den Radar der Behörden. Kontrollen in Studios brachten zum Teil gravierende Hygiene-Mängel an den Tag. Allerdings: «Diese Kontrollen haben für eine Sensibilisierung innerhalb der Branche gesorgt», sagt Otmar Deflorin, oberster Schweizer Kantonschemiker. Die Studios achteten nun vermehrt auf Hygiene und verwendeten keine verbotenen Farben.
Umso mehr wäre es demnach wichtig, dass solche Kontrollen in allen Studios bzw. auch in Kleinstbetrieben durchgeführt werden können. Das ist allerdings nicht einfach: Tattoo-Studios in Ladenlokalen lassen sich aufgrund ihrer Sichtbarkeit sehr einfach ausfindig machen. Insofern ist es kein Problem, diese zu kontrollieren.
Anders ist es bei Hinterhof-Tätowierern: «Wenn in einem Wohnzimmer tätowiert wird, sehen wir das von aussen natürlich nicht», sagt Deflorin. Genau hier soll eine Meldepflicht Abhilfe schaffen: Wer mit Tätowieren Geld verdient – ob im Wohnzimmer oder im eigenen Studio – muss sich seit Mai 2017 beim jeweiligen Kantonslabor anmelden.
Die Behörden wollen also wissen, wo überall tätowiert wird, um ihre Kontrolltätigkeit auch wirklich ausüben zu können. Der erhoffte Effekt: Wer jeden Tag mit einer unangemeldeten Kontrolle rechnen muss, arbeitet hygienischer und verantwortungsbewusster.
Wer nicht will, meldet sich nicht.
Grundsätzlich unterstützt der Verband der Schweizerischen Berufstätowierer die eingeführte Meldepflicht. Allerdings gibt es Zweifel an deren Wirksamkeit. «Wenn sich ein Tätowierer nicht melden will, wird er sich auch nicht melden», ist Präsident Luc Grossenbacher überzeugt. Gerade die sogenannten Hinterhof-Tätowierer, die teilweise nicht einmal Steuern bezahlten, hätten kaum ein Interesse, sich anzumelden.
Der Einwand der Behörden, dass man übers Internet, zum Beispiel via Social-Media-Plattformen, auch solche Tätowierer ausfindig machen könnte, überzeugt Luc Grossenbacher angesichts der grossen Anzahl nicht. «Das dürfte sehr schwierig werden. Die arbeiten zum Teil stark verdeckt und wechseln immer wieder den Standort.»
Bisher nur wenig Anmeldungen
Tatsächlich scheint die Meldepflicht bis anhin noch keine grosse Wirkung zu zeigen: Beim kantonalen Laboratorium Bern sind im Moment knapp einhundert Betriebe registriert. Viele davon habe man aber schon vor der Meldepflicht gekannt, räumt Kantonschemiker Deflorin ein.
In anderen Kantonen sieht es ähnlich aus. Die Meldepflicht sei in der Branche zwar nicht gänzlich unbekannt, heisst es etwa aus Zürich. Aber überrannt worden sei man seit Mai 2017 nicht.