Die normale Grundversicherung wählen immer weniger Menschen. Dafür boomen die sogenannten Alternativ-Modelle. Im letzten Jahr entschieden sich 52 Prozent der Versicherten für das Hausarzt- oder HMO-Modell. 12 Prozent oder knapp eine Million Versicherte für das Telemedizin oder Telmed-Modell. Nur 36 Prozent haben die Standard-Grundversicherung. Das zeigen noch unveröffentlichte Zahlen, die «Kassensturz» vorliegen.
Regelverstoss: Einige Kassen zahlen nicht
Die Modell haben einen Vorteil: Sie sind günstiger. Doch hält man sich nicht exakt an die Regeln, zahlen einige Kassen nicht. Das zeigt das Beispiel von Kuno Kuster. Der «Kassensturz»-Zuschauer hat bei der CSS-Tocher Sanagate in der Grundversicherung das Telmed-Modell gewählt. Er muss vor jeder medizinischen Behandlung im telemedizinischen Zentrum von Medgate anrufen. Dort beraten Ärzten die Versicherten.
Der 80-Jährige musste letzten Sommer notfallmässig ins Spital. Die Ärzte diagnostizierten Krebs. Kuster musste sofort mit einer Chemotherapie beginnen. «Nach vier Zyklen zeigte sich, dass die Therapie noch nicht befriedigend wirkte. Ich musste nochmals vier Zyklen machen», erzählt Kuster.
Krankenkasse wollte nicht zahlen
Kuster meldete den Spital-Notfall im Nachhinein. So, wie es Sanagate im Reglement verlangt. Für ihn völlig überraschend verweigerte die Kasse jedoch später die Übernahme von über 12‘000 Franken, die Kosten für die zweite Chemotherapie. «Die Kasse sagte, ich hätte den zweiten Teil der Chemotherapie telefonisch melden müssen». Die CSS-Kasse Sanagate schreibt dem Krebskranken, das Zeitfenster für die Behandlung sei abgelaufen und für die zweite Chemotherapie nicht mehr gültig gewesen.
Telmed- und Hausarztmodell: Unterschiedliche Sanktionen
Sanagate sanktioniert auch beim Hausarzt-Modell knallhart: Wer vor einer medizinischen Behandlung nicht zuerst beim Hausarzt war, muss die Kosten selber übernehmen. Und zwar ab dem ersten Regelverstoss. Auch andere Kassen haben eine ähnlich strikte Praxis. Das zeigt eine «Kassensturz»-Umfrage bei den grossen Krankenversicherern.
Mehrheit der Kassen mahnt zuerst
Die Mehrheit der angefragten Kassen ist jedoch deutlich kulanter. Die meisten mahnen fehlbare Versicherte bei einem Regelverstoss ein, zwei oder gar drei Mal. Die meisten angefragten Kassen sind auch bei der Sanktion kulanter: In der Regel stufen sie Versicherten einfach in die normale Grundversicherung zurück.
Medgate: «Anrufe gehen manchmal vergessen»
Der telemedizinische Dienst von Sanagate und 24 weiteren Versicherern übernimmt die Basler Medgate AG. Das grösste Telemedizin-Zentrum in der Schweiz berät täglich bis zu fünftausend Personen zu medizinischen Problemen. Es komme vor, dass der obligatorische Anruf vergessen gehe, sagt Medgate-CEO Andy Fischer: «Gerade wenn man krank ist, erinnert man sich vielleicht nicht mehr daran, was man genau in einem Versicherungsmodell abgemacht hat.» Wie solche verpassten Anrufe sanktioniert werden, obliege aber den Versicherern, so Fischer.
Das sagt die Krankenkasse zum Fall
Dass ein verpasster Anruf solche Konsequenzen hat, kann Manfred Kuster, der Sohn des betroffenen Sanagate-Versicherten nicht verstehen. «Für uns war das eine Behandlung, die einfach weitergelaufen ist. Da waren die ersten vier Chemotherapien. Und dann sind einfach vier weitere gefolgt.»
Wie rechtfertigt die Krankenkasse eine solche drastische Massnahme? Sanagate und Medgate hätten nicht gewusst, dass es sich bei der Krankheit von Herrn Kuster um Krebs handelt, sagt CSS-Sprecherin Christina Wettstein. «Hätten wir das gewusst, hätten wir das Zeitfenster verlängert. Herr Kuster hätte so ein halbes Jahr lang nicht mehr anrufen müssen.» Ob der Anruf an der Behandlung etwas geändert hätte, kann Wettstein nicht sagen.
Sanagate zahlt bis auf 2000 Franken nun doch
Manfred Kuster interveniert im Namen seines Vaters mehrmals schriftlich bei Sanagate. Die Kasse lenkt nun doch teilweise ein und deckt den grössten Teil der Kosten. Doch 2000 Franken muss Kuno Kuster trotz allem selber decken. Dies aus Gründen der Gleichbehandlung aller Versicherten, sagt Sprecherin Christina Wettstein: «Das wäre unfair gegenüber denjenigen Versicherten, welche die volle Prämie zahlen.»